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Bitches und Machos

Am letzten Abend des Festivals „Zusammen Zimmern“ sang Rapperin Layla zwischen den Hochhäusern Hohenschönhausens

Sie ist ein „Hustla“: Rapperin Layla bei „Zusammen Zimmern“ in Hohenschönhausen Foto: Claudia Traberth

Von Andreas Hartmann

Die Rapperin Layla legt sich richtig ins Zeug, um ihr Publikum zu animieren. Bei einer Nummer winkt sie die Leute nach vorne an die Bühne zum Tanzen, bei einer anderen fordert sie, dass doch jetzt bitte alle schön mit den Armen im Takt rudern mögen. Einen leichten Job hat sie nicht. Jung und Alt hockt beieinander an Biertischen vor Kaltgetränken, die Blicke auf die Bühne sind noch etwas skeptisch, als Layla davon rappt, dass sie auf dieses oder jenes „einen Fick“ gebe und im nächsten Stück behauptet: „Ich bin ein Hustla“, also vornehm ausgedrückt eine Sexarbeiterin.

Sie tritt auf gegen Ende eines dreitägigen Festivals, das dort statt findet, wo es sonst eher keine Veranstaltungen gibt, bei denen junge coole Rapperinnen aus Berlin zeigen können, was sie so drauf haben. Und zwar bei „Zusammen Zimmern“, das mitten in einer Hochhaussiedlung im Lichtenberger Ortsteil Hohenschönhausen anberaumt wurde.

Auf einem Platz zwischen einer Kirche und der Tanzschule „Magic Dance“ wurde eine Bühne errichtet. Alles wirkt ein wenig improvisiert, an der Tür eines Raumes in der Kirche steht nun das Schild „Crew“ und die Tanzschule wurde zum Backstagebereich umfunktioniert. Aber eigentlich kommt so eine Freiluftbühne inmitten von Hochhäuserschluchten ziemlich gut. Und es ist ja auch gar nicht mal so, dass auf diesem Platz sonst nur tote Hose herrschen würde. Ganz in der Nähe der Bühne befindet sich auch noch der „Partyraum Hohenschönhausen“, wo bestimmt auch schon so manch denkwürdiges Fest gefeiert wurde.

Layla bekennt nun in einem ihrer Stücke, sie sei eine „bad bitch“ und das Publikum wird langsam warm, man sieht ein paar nickende Köpfe. Eine Frau, die zumindest schon mal interessiert nach vorne blickt, sagt, ihre Musik sei das jetzt nicht unbedingt und sie höre eher Depeche Mode, attestiert dem Treiben auf der Bühne aber, dass dieses „für diese Gegend absolut ungewöhnlich“ und deswegen unbedingt zu begrüßen sei. Die Stiftung Stadtkultur mit allen möglichen Partnern hat dieses möglich gemacht. Das Festival selbst ist dabei nur der Höhepunkt einer Art Performance, die an dieser Stelle zwei Monate lang lief. Bei dieser wurde ein kleines Zimmer aus Holz zusammengezimmert, „ein Zimmer im öffentlichen Raum“, wie es in der Projektbeschreibung heißt, das Anwohner und Anwohnerinnen eine Zeit lang nutzen konnten.

Sie hatten die Möglichkeit, darin kreativ zu sein, zu malen, sich auszuprobieren. Eine Jugendkunstschule hat darin etwa einen Comic-Workshop veranstaltet, es wurde als Atelier und „Fotozimmer“ genutzt. Julia Klink, die Pressesprecherin für „Zusammen Zimmern“, sagt, das Angebot sei ziemlich gut angenommen worden, das Zimmer sei so gut wie immer belegt gewesen. Während des dreitägigen Festivals wird es nun, ausgestattet mit einer Discokugel und einer Musikanlage, noch einmal als Bühne genutzt und als Ort, an dem Kinder weiter basteln können.

Das Programm des dreitägigen Festivals wurde ziemlich couragiert zusammengestellt. Der Poetry-Slammer Ahne hält eine Lesung, die queerfeministische Band Gazino Neukölln tritt auf, ebenso die Berliner Rapperin Ebow, die sich einen Namen gemacht hat als engagierte Musikerin, die gegen Sexismus Stellung bezieht.

Die Nachbarschaft dieser Hochhaussiedlung in Hohenschönhausen soll somit einmal etwas erleben und erfahren, was man sonst nur in den hippen Berliner Innenstadtbezirken zu sehen bekommt. Das ist die Idee hinter der ganzen Veranstaltung. Sie soll zusammenkommen bei etwas, das extra für sie organisiert wurde. „So etwas darf es ruhig öfter geben“, sagt Robert, der mit seiner Familie hier ist und in einem der Hochhäuser lebt. „Sonst hockt doch jeder nur in seinem Block“. Genau so sieht das auch der Anwohner Tobi. „Ist ein Anfang“, meint er.

Layla versucht nun, noch stärker auf Tuchfühlung mit ihrem Publikum zu kommen. In der großen Mall in der Nähe habe sie einmal gearbeitet, sagt sie, ein Stück Hohenschönhausen steckt also auch in ihr. Der Großteil der Leute, der sich einfach nicht so richtig dazu aufraffen mag, sich von den Bierbänken zu erheben, und von dem nicht wenige so wirken, als wäre ihnen jetzt ein Konzert von Rammstein dann doch lieber, ist aber einfach zu nichts zu bewegen. Aber Roberts neunjährige Tochter immerhin geht nun ziemlich ab und tanzt direkt vor der Bühne. Einen kleinen Teil des Publikums erreicht Layla also mit ihren Songs, in denen es um weibliche Selbstermächtigung geht und bei denen männliche Machos durch den Kakao gezogen werden. Und dass diese Botschaften in Hohenschönhausen immerhin ein paar begeisterte Adressaten finden, das ist ja auch schon einiges wert.

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