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Archiv-Artikel

Centro-Urteil zerlegt Ruhrstadt

Oberhausens Nachbarstädte hoffen auf eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht: Sie wollen den Ausbau des Centro doch noch blockieren. Absprachen der Städte stehen neu zur Diskussion

von ANNIKA JOERES

Städte im Ruhrgebiet wollen die Erweiterung des Centro mit allen Mitteln verhindern. „Wir schöpfen alle Möglichkeiten aus“, sagt Essens Sprecher Detlev Feige. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte am Montag den Ausbau der Oberhausener Shopping-Mall von derzeit 70.000 Quadratmetern Verkaufsfläche um weitere 30.000 Quadratmeter für rechtens erklärt. Jetzt prüfen die klagenden Kommunen Essen, Gelsenkirchen, Dinslaken und Bottrop die Revision des Urteils vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

„Für uns alle ist das Urteil gefährlich“, sagt Feige. Essens größter Stadtteil Borbeck würde tausende KundInnen ans nah gelegene Centro verlieren, übrig blieben nur noch Nahversorger wie Metzger und Bäckereien. Auch Dinslaken will das Urteil abwenden. „Sonst kommt der kommunale Kannibalismus“, sagt Sprecher Horst Dieckhäuser.

Das Münsteraner Urteil betrifft nicht nur das Centro. Darüber hinaus haben die RichterInnen die kommunale Planungshoheit wieder gestärkt. In der Begründung heißt es, die Städte sollen sich selbst bemühen, die Verödung ihrer Innenstädte zu verhindern. Eine Absprache zwischen denStädten solle den Einzelhandel nicht vor Konkurrenz schützen. Das Urteil widerspricht damit dem regionalen Einzelhandelskonzept westliches Ruhrgebiet (siehe Kasten). Dieser bisher einzigartige freiwillige Vertrag sollte verhindern, dass die Städte sich gegenseitig die KundInnen abspenstig machen.

„Das Urteil bedeutet eine Rückkehr zum alten Kirchturmdenken“, sagt Frank Baranowski, SPD-Oberbürgermeister aus Gelsenkirchen. Zukünftig müsse sich jede Stadt fragen, wie eine gemeinsame Raumplanung der Ruhrgebietsstädte möglich sei. Gelsenkirchen wolle jetzt mit Vehemenz seine Zentren in Buer und Gelsenkirchen entwickeln.

Auch Essen beurteilt Oberhausens einsames Vorgehen als „Schlag ins Gesicht von Freunden.“ Die Stadt hoffe aber, dass jetzt nicht jede Kommune den Holzhammer raushole. „Wir müssen uns absprechen“, sagt Sprecher Feige. Die gemeinsame Bewerbung zur Kulturhauptstadt liefe beispielsweise ausgezeichnet. Feige will die Zusammenarbeit neu ausrichten: „Wir müssen uns spezialisieren.“ In Zukunft sollen die Leute ruhig ins Centro fahren, danach aber auch in Essen einkaufen gehen. „Bisher bietet jeder alles, so kann es nicht weitergehen“, warnt Feige.

Sieger Oberhausen sieht nun die Zeit gekommen, das Einzelhandelskonzept „deutlich zu überarbeiten“, so Planungsdezernent Peter Klunk. „Wir brauchen strahlende Leuchttürme“, sagt er. Klunk setzt auf Menschen außerhalb NRWs, die das Ruhrgebiet wieder beleben sollen. Bisher hätten sich alle Städte immer nur auf ein Mittelmaß geeinigt, wie die Philharmonien zeigten. „Für sich sind alle schön, aber Menschen von auswärts erreichen die nicht.“ Klunk will nun nicht mehr über Innenstädte reden, sondern über Freizeit und Tourismus, denn das ziehe Menschen und Geld. Die Revisionsklage der Städte sieht er gelassen. „Wir bauen.“