Leon, Lilly und Lucas in Sorge

Landeselternvertretung der Kitas fordert Rücknahme der Sparmaßnahmen. Eltern berichten, wie sehr ihre Kinder unter schlechter Betreuung leiden. Plakataktion soll Senat vor seiner Klausur zur Familienfreundlichkeit ermahnen

Von Kaija Kutter

Mit einem bissigen Plakat zur Familienpolitik des Senats betrat der neu gebildete „Landes-Eltern-Ausschuss Kindertagesbetreuung“ (LEA) gestern die politische Bühne der Stadt. Anlass ist die für den 17. und 18. Juni geplante Familienklausur des Senats. „Wir sind die Betroffenen von dieser Familienpolitik“, erklärte LEA-Sprecher Peter Albrecht. „Wir wollen, dass diese Politik ein Ende nimmt.“

Das Plakat zeigt den kleinen Leon umgeben von alten Leuten, weil seine gleichaltrigen Freunde mittlerweile in „Kaltenkirchen, Buchholz und Winsen“ wohnen – vertrieben durch die Kita-Politik der Stadt.

Erst am Donnerstag hatte die SPD das Ergebnis einer Kita-Befragung veröffentlicht, wonach Hamburgs Kitas seit Januar mit 500 bis 600 Erzieherstellen weniger auskommen, aber 1.800 Kinder mehr betreuen müssen (taz berichtete). In der „Versorgung mit Kita-Plätzen“, so erklärte LEA-Vorständlerin Isa Baumgart, sei Hamburg „nicht schlecht“. In der Qualität aber „mittlerweile fast Schlusslicht“. Der „Alltag der Kinder“, so Baumgart, habe sich „sehr verschlechtert“. Die Stadtplanerin legte E-Mails von Eltern vor, die an den LEA gingen und die Folgen des gesenkten Betreuungsschlüssels beschreiben – weil keine Kitas „an den Pranger“ sollten, wurden die Namen dabei verändert.

In der Krippe des kleinen Leon zum Beispiel wurden 60 Erzieherstunden abgebaut. „Letzte Woche war er nicht einmal draußen, weil eine Erzieherin im Urlaub war“, berichtet seine Mutter. Und die kleine Lilly kommt nicht mehr zur Ruhe und hat „öfter einen wunden Po“, weil sie zu selten gewickelt wurde, seit 15 Kinder in der Krippe sind. Lucas‘ Gruppe machte drei Tage zu, weil es keine Urlaubsvertretung gab. Mika muss seine schmutzige Müslischüssel mit nach Hause nehmen, weil in der Küche keiner mehr spült. Und bei Florian sind im Früh- und Spätdienst 40 Kinder – er weiß nicht mal, wie alle heißen.

Ganz verwirrt sei Marie, weil jeden Tag ein anderes Kind ihrer Gruppe zu Hause bleibt. Dies, so Baumgart, sei eine Folge der neuen Vergabepraxis bei Krippengutscheinen für Teilzeitarbeitende: Sie gestattet den Kindern nur an den Tagen den Kita-Besuch, an denen die Mutter arbeitet.

Und schließlich sei da auch noch Kevin, der vom Mittagessen abgemeldet wurde, weil sein Vater die Anhebung der Kosten um 13 Euro lieber in Zigaretten investiert. Dass diese lineare Erhöhung „unsozial“ ist, hatte der LEA schon im März gleich nach seiner Gründung kritisiert – folgenlos. Anlässlich der anstehenden Senatsklausur erhebt der LEA-Vorstand nun erneut die Forderung, die Kitas „anständig“ auszufinanzieren, wobei man ebenso wie die SPD von 50 Millionen Euro spricht.

„Wir müssen erst fragen, was die Bildung unserer Kinder kostet und dann den Rest finanzieren“, mahnte LEA-Vorständler Rainer Barthel. Nicht einzusehen sei beispielsweise, dass Stadtentwicklungssenator Michael Freytag (CDU) für neun Millionen Euro die städtischen Plätze neu möbliert: „Keiner kann mir sagen, was mein Kind davon hat, wenn am Mönckebrunnen die Steine ausgewechselt werden.“

Von einem guten Kita-Platz hingegen profitierten die Kinder sehr wohl, erklären die Elternvertreter und verweisen auf die aktuelle Forschung. So belegt die IGLU-Studie für Grundschulen, dass Kita-Kinder noch in der 4. Klasse einen Lernvorsprung von sieben bis acht Monaten haben. Vorausgesetzt, es werden nicht, wie in Annas Kindergarten, die offenen Bildungsangebote abgeschafft.