Studieren lohnt sich nicht

Der Hochschul-Abschluss als Schlüssel zum Arbeitsmarkt – die Zeiten sind längst vorbei. Denn Akademikergehälter befinden sich seit Jahren im Sinkflug. Nachgewiesen haben das zwei Doktorandinnen. Der Hamburger Körber-Stiftung war ihre Untersuchung einen Deutschen Studienpreis wert

aus Hamburg Eva Weikert

Sie sind die Ausnahme von der Regel, die sie selbst formuliert haben: Karen Mühlenbein und Christiane Mück. Die Hamburger Unternehmensberaterin und die Niedersächsin Mück, die an einem großen staatlichen Forschungsinstitut arbeitet, haben beide studiert und verdienen heute trotzdem gutes Geld.

Denn eigentlich, so weisen die Doktorandinnen in einer preisgekrönten Studie nach, wird der akademische Grad am Arbeitsmarkt heute immer weniger honoriert. Die Einstiegsgehälter und somit die Bildungsprämie für Uni-Absolventen schrumpften stetig. Nur für Juristen, Mediziner und Ökonomen sei noch was zu holen, so Mück (27), die gemeinsam mit Mühlenbein (26) die Reaktion des Arbeitsmarktes auf die Akademikerschwemme untersucht hat. Dafür wurden sie jetzt mit dem Deutschen Studienpreis ausgezeichnet, den die Hamburger Körber-Stiftung einmal im Jahr vergibt.

„Warum noch studieren?“ lautet der Titel der empirischen Expertise, mit der sich Mück und Mühlenbein gegen 300 Mitbewerber im Wettbewerb zum Thema „Mythos Markt?“ durchsetzen konnten. Die beiden Betriebswirtinnen haben die Beteiligung an der akademischen Bildung sowie die Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung zwischen 1991 und 2001 anhand von Daten des deutschen Mikrozensus nachvollzogen. Dabei verglichen sie für die Jahre 1991, 1995, 1998 und 2001 jeweils 130.000 Einzelfälle miteinander und werteten sie aus. Ergebnis: Hierzulande ist das Studium auf dem Arbeitsmarkt immer weniger wert.

Die OECD tadelt die Bundesrepublik seit Jahren für ihre vergleichweise geringe Akademikerquote. In Deutschland liegt die Übergangsquote von Schülern ins Studium bei 35 Prozent, andere Industrieländer haben es hingegen auf 70 Prozent geschafft. Bis 2010, so peilt die Bundesregierung an, sollen in Deutschland immerhin 40 Prozent eines Schülerjahrgangs ein Studium aufnehmen.

Doch ob die Rechnung für die künftigen Generationen aufgeht, scheint bei einem Blick in Mück und Mühlenbeins Studie fraglich: Verdiente ein Akademiker nämlich 1992 im Schnitt noch über 70 Prozent mehr als ein Abiturient mit Berufsausbildung, sinkt dieser Wert bis 2001 auf etwa 55 Prozent. Zugleich würden Akademiker zunehmend Jobs mit „geringeren formalen Anforderungen“ in Kauf nehmen, so Mück, und auf diese Weise die weniger Qualifizierten „massiv aus diesen Berufen herausdrücken“.

Dagegen hat sich für die Preisträgerinnen selbst das Studium gelohnt: Neben ihrer Promotion an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP), die vor kurzem in die Landesuni eingegliedert wurde, ist Mühlenbein als angestellte Unternehmensberaterin viel in der Republik unterwegs. „Gehalts- und Bildungserwartungen“, so Mück, die neben dem Beruf ihren Doktor am Institut für Pädagogik der Uni Oldenburg macht, „haben sich voll erfüllt.“

Allgemein sieht die Lage indes anders aus. Wie die Forscherinnen nachweisen, fielen die Akademikereinkommen gleichzeitig mit dem Anstieg der Studentenzahlen in den 1990er Jahren – „und zwar signifikant“, so Mück. Sogar ein Viertel aller Akademiker habe heute gar keinen finanziellen Vorteil mehr gegenüber Absolventen einer Berufsausbildung. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass Nichtakademiker zumeist mehr Verdienstjahre ansammeln und keine Studienkosten haben. Fazit: Je mehr Absolventen aus den Unis strömen, desto geringer ist ihr Marktwert.

Die Pläne der Unionsgeführten Bundesländer, Studiengebühren einzuführen, sehen die beiden BWLerinnen darum mit großer Skepsis. Gebühren schmälerten den finanziellen Gewinn noch mehr. Würden die Einstiegsgehälter aber nicht angeglichen, sinke die Attraktivität eines Studiums noch weiter. „Auf lange Sicht wird es in Deutschland zahlreiche Absolventen geben, die Studienkredite aufnehmen mussten und sich schwer mit der Rückzahlung tun“, so Mück. Für viele Schüler könne daher schon bald die Aufnahme einer nichtakademischen Berufsausbildung die attraktivere Wahl sein.

Angekurbelt werde der Akademikerausverkauf noch dazu durch den wachsenden Mangel an Arbeitsplätzen, konstatieren die Forscherinnen. „Sicherlich“, meint Mück, „nutzen Arbeitgeber die Situation, indem sie bei den Gehältern sparen.“

Indes bleiben Hochschulabsolventen von der grassierenden Arbeitslosigkeit in der Regel verschont. Die Not trifft vor allem die geringer Qualifizierten. Heute gebe es nicht mehr Hilfebedürftige unter Akademikern als noch vor zehn Jahren, stellen Mück und Mühlenbein im Rückblick fest und ziehen den Schluss, Hochschulbildung habe inzwischen vor allem eine Funktion – den Schutz vor Arbeitslosigkeit.