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Archiv-Artikel

Im Schatten des Ruhms

FERNSEHARBEITER Er ist die graue Eminenz hinter erfolgreichen Krimiformaten wie „Ein starkes Team“ (Sa., 20.15 Uhr, ARD): Drehbuchautor Leo P. Ard

Drehbuchschreiber sind öffentlich kaum existent. Den Ruhm für eine gute Produktion ernten andere

VON JAN SCHEPER

Otto Garber pennt. Leisten kann sich der Berliner Hauptkommissar Garber (Florian Martens) die nächtliche Schnarchkur eigentlich nicht. Er steckt mitten in einem Mordfall. Dumm, dass er sich dafür bei seinem Kumpel Sputnik (Jaecki Schwarz) einquartiert hat. Denn der findige Unternehmer hat nicht nur eine Siesta-Bude für gestresste Anzugträger in der Hauptstadt eröffnet, sondern auch ein Kamerateam bestellt, das die Geschäftsidee werbewirksam ins Lokalfernsehen hievt. Am folgenden Morgen erntet Garbers nasale Symphonie hämische Nachahmer im Polizeipräsidium.

Sei es drum. Der gewaltsame Tod einer sich illegal an der Spree aufhaltenden Ukrainerin geht vor und Garbers Partnerin Verena Berthold (Maja Maranov) ist gerade undercover in einer Putzfirma unterwegs, bei der das Mordopfer für vier Euro in der Stunde ranklotzen musste. Der spottende Kollege wird von Garber beim Rausgehen trotzdem noch schnell – eloquent berlinernd – zurechtgewiesen: „Ick schraub dir gleich die Murmel von der Schulter.“ Es ist einer der wenigen amüsanten Momente, den die aktuelle Folge „Eine Tote zu viel“ des ZDF-Krimis „Ein starkes Team“ dem Zuschauer schenkt.

Solides Millionenpublikum

Auch an diesem Samstag wird die Serie um 20.15 Uhr ein solides Millionenpublikum vor den Fernseher locken. Die mittlerweile 52 Folgen starke Reihe läuft seit 1994 äußerst erfolgreich beim Mainzer Sender. Der Quotengarant lebt primär von seinem eingespielten Ermittlerduo Florian Martens und Maja Maranov. Der 2010 für die Rolle mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnete Martens mimt den rotzig-herzlichen Ostler, Maranov die melancholisch-feinfühlige Schönheit. Markenzeichen der Serie sind auch die oft sozialkritisch unterfütterten Themen. „Eine Tote zu viel“ erzählt stellvertretend für den Alltag von 50.000 Illegalen in Berlin eine bedrückende Geschichte von gefälschten Papieren, Hungerlöhnen und der ständigen Angst davor, ent-deckt zu werden.

Im Hintergrund der ZDF-Redaktion und der Crew am Set der Krimireihe arbeitet eines der etabliertesten Autorenteams, die das deutsche Fernsehen zu bieten hat: Birgit Grosz und Leo P. Ard. Wie bei den meisten ihrer hierzulande geschätzt knapp über 1.000 KollegInnen ist ihr Anteil an einem Film elementar – ihre öffentliche Wahrnehmung dagegen kaum existent. Den Ruhm für eine gelungene Produktion ernten zumeist andere. Bis auf die Nennung des Namens in Vor- und Abspann führen die Drehbuchschreiber ein kreatives Schattendasein.

„Ohne Buch gibt es auch keinen Film. Für ein gutes Skript brauchst du eine gute Geschichte. Die Figuren kommen dann schon von allein“, sagt Leo P. Ard lakonisch, der eigentlich Jürgen Pomorin heißt. Dann schiebt er hinterher: „Im Krimi kann man spannend und für ein breites Publikum aufbereitet relevante soziale Missstände erzählen. Gutes Handwerk bedeutet zu wissen, wie man die Erwartungen der Zuschauer bedient. Aber anders, als es der Zuschauer erwartet.“

Seit fast 30 Jahren schreibt Ard Krimis. Zwölf Romanbände sind es bis heute. Für das Fernsehen begann er Anfang der 90er Jahre Storys zu entwerfen. Pomorin weiß, dass sich seitdem viel geändert hat: „Geschichten werden heute einfacher erzählt. Nebenstränge und -figuren sind massiv reduziert worden“, sagt der Autor. „Die Dramaturgie wird immer mehr darauf abgestimmt, dem Zuschauer keine Chance zu geben, wegzuzappen.“ Und er ergänzt: „Große Experimente, die es noch vor 20 Jahren gab, sind nicht mehr möglich. Die Quote steht heute über allem.“ Damals gelang es Ard gemeinsam mit Koautor Michael Illner, die Jury des Grimme-Preises für das frisch in der ARD wiedervereinigte Format „Polizeiruf 110“ zu begeistern. „Totes Gleis“, mit Ben Becker und Otto Sander in den Hauptrollen, erhielt die renommierte Auszeichnung 1995.

Pomorins Bildschirmkarriere begann aber nicht nur wegen des Ritterschlages der Marler Kritiker, sondern weil schlicht der Zeitpunkt passte. Neben den Öffentlich-Rechtlichen suchte vor allem das noch in der Pubertät steckende Privatfernsehen nach schnell schreibendem Personal für eigene Formate. Hinzu kam, dass der ursprünglich gelernte Bankkaufmann über einen kompakten medialen Bauchladen verfügte: Ende der 70er hatte er sich in die damals öffentlich noch flächendeckend ignorierte Neonaziszene eingeschleust und seine Rechercheergebnisse als Reportagen im Jugendmagazin „elan“ der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) publiziert. Nebenbei drehte Pomorin Dokumentarfilme, etwa für den WDR. „Meine berufliche Verflechtung von investigativem Journalismus, Kriminalromanen und dem Bewusstsein als Autorenfilmer hat mir eine gute Grundlage für das Drehbuchschreiben geliefert.“

1994 klopfte RTL an und bat um die Entwicklung einer eigener Reihe. Allerdings mit der Voraussetzung, dass der Stoff der Kulisse des gerade entmauerten Berlins fernbleiben möge. Da hatte gerade für die Konkurrenz bei Sat.1 Kriminalhauptkommissar Wolff am Montagabend sein „Revier“ abgesteckt. „Dann nehme ich halt das Ruhrgebiet“, dachte sich der gebürtige Bochumer und entwarf für die Kölner Auftraggeber den 45-Minüter „Balko“. Insgesamt 124 Mal durften Titelträger Jochen Horst (später Bruno Eyron) und Ludger Pistor als dessen tollpatschiger Kompagnon Klaus Krapp bis 2003 Dortmunder Kriminelle jagen.

Eine Schriftstellerehe

Wieder gab Koautor Michael den schreibenden Paten für die Drehbücher. Entscheidend wird kurze Zeit später aber die Zusammenarbeit zwischen Jürgen Pomorin und seiner Lebensgefährtin Birgit Grosz. Begonnen hat alles – wie in jeder guten Schriftstellerehe – mit dem Korrekturlesen: „Nachdem ich Jürgens Drehbücher inhaltlich bewertet und seine teilweise abenteuerliche Grammatik verbessert habe, fragte mich ein Produzent, ob ich nicht selber schreiben wolle“, erzählt Grosz. „Entstanden sind Folgen für „Alarm für Cobra 11“ und die ARD-Reihe „Zappek“ (ausgestrahlt 1995–1996, Anm. d. Red.) – bis ich merkte, dass ich mich als Teamplayerin besser eigne.“

Seitdem sind die beiden gemeinsam erfolgreich. Im aktuellen Portofolio finden sich zahlreiche Erfolgsformate wie der „Tatort“ aus Konstanz oder die ZDF-Produktionen „Der Staatsanwalt“ sowie „Marie Brand“. Die Liste ließe sich problemlos erweitern. Die Aufgabenteilung ist dabei klar geregelt: Pomorin kümmert sich um den Plot („Ich rotze schon schnell mal eine Geschichte runter“), Grosz widmet sich dem „Feintuning der Figuren“. Dann wird fortwährend diskutiert – bis die Geschichte rund ist. Fast täglich sitzen sie an ihren Geschichten. Seit 1997 leben die beiden auf Mallorca.

All das klingt nach Routine und professionellem Zusammenspiel. Das ist es auch, allerdings mit einer kleinen Fußnote, die die intensive Arbeit beider an den gemeinsamen Filmstoffen umso bemerkenswerter macht: Birgit Grosz leidet an multipler Sklerose (MS). Die chronische und unheilbare Nervenkrankheit, sagt sie, habe ihre „Bewegungsmöglichkeiten, einschließlich der Hände, mittlerweile komplett eingeschränkt“. Zeitweise hat Grosz ein Spracherkennungsprogramm geholfen. Seitdem ihre Stimme schwächer geworden ist, hilft dies nur noch bedingt weiter: Aus „der Staatsanwalt“ macht der Computer jetzt stattdessen „Wahnsinnsanstalt“.

Für Birgit Grosz, die früher als Buchhändlerin und in der Erwachsenenbildung gearbeitet hat, sind ihre Drehbücher ein wichtiges Fenster zur Welt. „Sie sind für mich eine der wenigen Möglichkeiten, noch kreativ zu sein. Die Arbeit macht natürlich auch Spaß. Es ist ein schönes Gefühl, vor dem Fernseher zu sitzen, seinen eigenen Film zu sehen und zu wissen, dass nun Millionen Zuschauer das sehen, was wir uns ausgedacht haben.“ Wie heute um 20.15 Uhr, wenn das starke Team im ZDF, die Ideen von zweien, die nur mal kurz in Vor- und Abspann auftauchen, umsetzt.