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Kino für liebenswerte Lebensuntüchtige

Der Bremer Filmemacher André Erkau erzählt mit viel Humor und Einfühlungsvermögen von Außenseitern, schrägen Vögeln und gescheiterten Existenzen, die sich erfolgreich durchbeißen. Dabei hat er einen ganz eigenen tragikomischen Stil entwickelt

Von Wilfried Hippen

André Erkaus Filme heißen „Arschkalt“, „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ oder „Happy Burnout“. Viele dieser Filme spielen in Norddeutschland. In ihnen erzählt der Filmemacher von Außenseitern, von schrägen Vögeln und gescheiterten Existenzen, die sich trotz allem bis zu einem nicht geschönten, aber gemäßigt optimistischen Ende durchbeißen: Ein misan­thropischer Tiefkühlkost-Lieferant wünscht sich, ein Fischstäbchen zu sein; Erkaus erzählt von einem trauernden Witwer, seiner todkranken Mutter und einer rebellischen Tochter. Ein Alt-Punk hat noch nie in seinem Leben gearbeitet und beginnt eine Therapie als Burnout-Patient, weil er sich so eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschummeln will.

Erkau dreht fürs Kino und fürs Fernsehen, mal nach eigenen Drehbüchern und mal als Auftragsarbeit, zum Beispiel „Tatort“-Krimis. Immer haben seine Filme einen eigenen Stil – obwohl oder gerade weil er sich selbst nicht als einen Stilisten hinter der Kamera sieht. Stattdessen ist für Erkau die Arbeit mit den Schau­spie­le­r*in­nen immer das Wichtigste. Sein Blick auf die Welt, sagt er, sei „hoffnungsvoll und nicht frei von Humor“. Und diese Sympathie sowohl für die Figuren in seinen Filmen wie auch für ihre Dar­stel­le­r*in­nen gibt seinen Filmen einen starken Wärmestrom. Darum hat sein Witz auch immer eine „zärtliche Ironie“. Die erkannte schon die Jury des Max Ophüls Preises, den Erkau 2008 für seinen ersten Spielfilm „Selbstgespräche“ bekam. Darin erzählte er von den kleinen Dramen, die sich zwischen den Mit­ar­bei­te­r*in­nen in einem Callcenter abspielen. Tatsächlich hat Erkau selbst mal in einem Callcenter gearbeitet.

Seinen ersten Erfolg auf Festivals hatte er schon zwei Jahre zuvor, 2006, mit seinem Kurzfilm „37 ohne Zwiebeln“. Darin erzählt Erkau von einem Angestellten, der unter Zeitsprüngen leidet: Er weiß nicht, wie er von A nach C gekommen ist, weil er B nie erlebt hat. Auch diese Geschichte ist autobiografisch: Erkau fühlte sich damals überfordert, weil er als Filmstudent mit unsicheren Zukunftsaussichten gerade eine kleine Tochter bekommen hatte.

Geboren wurde André Erkau 1968 in Dortmund, in Bremen wuchs er auf. Dort war er einer der Gründer des Jungen Theaters und arbeitete später als Schauspieler in Theater, Film und Fernsehen. So etwa in der Vorabendserie „Nicht von schlechten Eltern“. In Baden-Württemberg gehörte Erkau drei Jahre lang zum Ensemble eines Theaterhauses und spielte dort unter anderem eine Maus in einem Weihnachtsmärchen. Auch diese Erfahrungen hat er in einem Drehbuch verarbeitet. Das heißt „Mann oder Maus“ und könnte eines seiner kommenden Regie-Projekte werden Im Alter von rund 30 Jahren erlebte Erkau eine frühe Midlifecrisis. Er wollte Filme statt Theater machen und studierte in Köln Regie. Inzwischen hat er elf Filme gedreht, sechs davon für das Kino.

André Erkau gehört zu den wenigen Filmemacher*innen, die ein gutes Gespür für komische Situationen haben und Pointen setzen können

Eine seiner bisher aufwendigste Produktionen ist „Das Leben ist nichts für Feiglinge“. Der Film ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Gernot Gricksch. Er passt mit seiner tragikomischen Grundstimmung so gut zu Erkaus Stil, dass der Arthousefilm ein Erfolg in den Programmkinos wurde.

Im Jahr 2015 dann folgte der Kinderfilm „Winnetous Sohn“, einer von Erkaus schönsten Filmen: Sein Antiheld ist hier ein pummeliger Zehnjähriger mit Brille, der davon träumt, bei den Karl-May-Festspielen mitspielen zu dürfen. Erkau ist froh, dass der Film nicht erst ein paar Jahre später ins Kino gekommen ist. „Jetzt hätte ich ihn wohl anders und mit einem anderen Titel gemacht!“, sagt er.

Alle seine Filme bevölkert Erkau dabei mit seinen liebenswerten Lebensuntüchtigen, die sich komisch abstrampeln und schließlich doch zusammenraufen. Er gehört zu den seltenen Filmemacher*innen, die ein gutes Gespür für komische Situationen haben und Pointen setzen können. Davon gibt es in Deutschland nur wenige.

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