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Archiv-Artikel

Links ist klar. Mehr nicht

Das Bündnis steht. Gysi und Lafontaine sind dabei. Jenseits von Rot-Grün wächst etwas zusammen. Aber was?

VON ROBIN ALEXANDER UND KLAUS JANSEN

Eine ernst zu nehmende, linke Alternative zu Rot-Grün entsteht: Oskar Lafontaine und Gregor Gysi werden eine Liste mit Kandidaten von PDS und WASG anführen. So viel ist sicher. Sonst nichts. Denn zu einem sind die Kollegen und Genossen – die zwei Wochen um die Modalitäten ihrer Liste gerungen haben und sich bisher nicht einmal auf einen Namen einigen konnten – noch nicht gekommen: zu den Inhalten. Wofür stehen die Neuen? Oder: Wie links ist die neue Linkspartei?

Alle Beteiligten wollen eine „Alternative zum neoliberalen Mainstream“ sein. Das die Konkretisierung dieser Formel noch aussteht, geben die Akteure zu. Schröders Neuwahlplan habe einen langsamen Annäherungsprozess zwischen WASG und PDS unmöglich gemacht, notgedrungen müsse die inhaltliche Klärung bis nach der Wahl zurückstehen. Zumindest Gysi sieht den enormen Zeitdruck nicht als Nachteil: „Manchmal gelingt etwas in Wochen, was in einem Jahr nicht gelungen wäre.“ Denn die Frage, ob es 2006 überhaupt eine Einigung gegeben hätte, ist offen. „Die Perspektive, in den Bundestag einzuziehen, hat einen Harmonietaumel bewirkt“, meint der Duisburger Parteienforscher Karl-Rudolf Korte. „Ein ganzes Jahr würde der nicht anhalten.“

Bei PDS und WASG handelt es sich nicht um programmatische Zwillinge, denen nur ein historischer Zufall unterschiedliche kulturelle Prägungen verpasst hat. So möchte die WASG etwa „eine Millionen Jobs im öffentlichen Dienst“ schaffen. Die PDS hingegen kämpft in der rot-roten Berliner Koalition, das Heer der Staatsdiener in der Hauptstadt wenigstens langsam abzubauen. Laut WASG soll der Staat 40 Milliarden Euro zusätzlich in Infrastruktur pumpen – und zwar jedes Jahr. Weitere 20 Milliarden sollen jährlich in einen öffentlichen Beschäftigungssektor fließen. Kriselnden Großunternehmen – wie Opel – soll der Staat direkt mit einer „Kapitalbeteiligung“ beispringen.

Für Arbeit sorgt eine keynesianistische Wirtschaftspolitik, die Sozialsysteme werden über Vollbeschäftigung saniert – das ist der Kern des WASG-Programms. Was die Mehrheit der PDS-Führung davon hält, fassen die Vorstandsmitglieder Elke Breitenbach und Katina Schubert in einem Papier zusammen: „Wir streiten nicht dafür, den westdeutschen Sozialstaat der 70er-Jahre wiederherzustellen.“ Die PDS will, dass zur „Verteilungsgerechtigkeit auch die Teilhabegerechtigkeit“ tritt. Das „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ der WASG erscheint ihr rückwärts gewandt.

Doch die Auseinandersetzung mit den altlinken WASG-Konzepten nimmt die PDS-Führung nicht wirklich ernst. Ihr geht es weniger um das Fußvolk als um den Häuptling: Oskar Lafontaine. Und wo der steht, ist klar: links, wo das Herz schlägt. Wirklich?

Der potenzielle Fraktionsvorsitzende geißelte als Bild-Kolumnist nicht nur die „neoliberale“ Wirtschaftspolitik, sondern auch die in seinen Augen zu liberale rot-grüne Innen- und Flüchtlingspolitik. So begrüßte Lafontaine etwa den Vorschlag der Regierung Berlusconi, die EU möge Flüchtlingslager in Nordafrika finanzieren: „Es sind in der Regel die Gesunden, die Leistungsfähigen, die nach Europa wollen, um besser zu leben. Daher ist es gerechter, die Hilfen für Afrika aufzustocken, statt die Sozialausgaben für die hier ankommenden Flüchtlinge weiter zu erhöhen.“ In der Folterdebatte schlug sich Lafontaine auf die Seite der Verteidiger des Frankfurter Polizeichefs Daschner, der einem Kindesentführer Folter angedroht hatte. Solche und ähnliche Statements Lafontaines kursieren zurzeit unter den aufgeschreckten Flüchtlings- und Rechtspolitikern der PDS, die sich auch in diesen Fragen links von den Grünen definieren. Schwer vorstellbar, wie sie unter Fraktionschef Lafontaine arbeiten sollten.

Das Linksbündnis möchte Druck auf SPD und Grüne ausüben, sich auf alte Ideale zu besinnen. Dafür beschimpften deren Spitzen die neue Partei gestern öffentlich. Weniger laut begrüßen einige linke Rote und Grüne jedoch die neue Konkurrenz. Der Grüne Markus Kurth, ein junger linker Abgeordneter aus Dortmund, meint: „Das würde den Linken in den Grünen helfen – gegen den Weg zur Öko-FDP.“ Der bayerische Abgeordnete Florian Pronold, der in der SPD für die Erbschaftsteuer stritt, sagt hingegen: „Unsere Niederlagen haben die Einsicht der SPD für einen linkeren Kurs schon befördert – dafür brauchen wir keine neue Linkspartei.“