Sarah Wiener Die Zutat: Finnische Goldbeeren
Die beste Chance, in unseren Breitengraden eine Moltebeere zu sichten, ist ein Blick ins Geldbörserl, denn sie ziert die finnische Zwei-Euro-Münze. Noch ein wenig seltener sind die bernsteinfarbenen Früchte auch in der norddeutschen Wildnis zu entdecken – aber bitte nicht pflücken, denn die Wildbeere ist in Deutschland streng geschützt!
Im europäischen Norden dagegen fühlt sich die Moltebeere wohler, kein Wunder, hält sie doch Temperaturen bis zu minus 40 Grad aus. Dort darf sie auch gesammelt werden und erzielt den höchsten Kilopreis unter den vielen verschiedenen Beeren Skandinaviens. Die Moltebeere ist dabei eine Pionierpflanze: Nach einem Brand oder Kahlschlag gehört sie zum Ersten, was wächst. Außerdem mag sie es feucht, weshalb man sie auch Torfbeere nennt. Ihr Geschmack ist säuerlich-herb, ihr Vitamin-C-Gehalt hoch, auch Antioxidantien finden sich in ihr. Angeblich sollen sie schon die Wikinger gesammelt haben, um sich auf ihren Seefahrten vor Skorbut zu schützen.
Heute werden Moltebeeren in der nordischen Küche unter anderem zu Konfitüre verarbeitet. Dafür reicht es, ein halbes Kilo Beeren mit etwa der gleichen Menge Zucker aufzukochen, bis ein dickflüssiges Mus entsteht; dazu je nach Geschmack noch ein bisschen Zitronensaft geben und dann in saubere Gläser füllen. Besonders köstlich schmeckt mir ein Gelee aus Moltebeeren und Preiselbeeren – das macht sich gut in einer Soße zu Wildbraten oder auch einfach so auf Brot.
Für die Finnen ist die Moltebeere eng mit Leipäjuusto verknüpft, einem traditionellen Käse aus der ersten Milch, die eine Kuh nach dem Kalben gibt. Dieser überbackene Brotkäse quietscht beim Kauen und wird oft mit knallorangenen Moltebeerengelee serviert. Noch etwas ungewöhnlicher, aber aufgrund der klirrenden Kälte Finnlands kaum verwunderlich: Die Beere wird auch gerne als Suppe gegessen. Dafür werden die Früchtchen ähnlich gekocht und mit Zucker abgeschmeckt. Dazu kommt eine Prise Zimt oder etwas Minze.
Weil ich es im Sommer gerne frisch und kühl habe, mache ich aus Moltebeeren ein schnelles Eis. Ich nehme eine Handvoll Beeren und püriere sie mit ein wenig Naturjoghurt und zwei Esslöffeln Honig gut durch. Dazu kommt Zimt, Kardamom und, wenn gewünscht, ein wenig Minze. Dann schlage ich 100 Milliliter Sahne steif und hebe sie vorsichtig unter die Beerenmasse. Alles fünf Stunden gefrieren lassen, fertig ist der hochsommerliche Genuss!
Die Köchin Sarah Wiener stellt hier jeden Monat eine ihrer Lieblingszutaten vor. Heute: die Moltebeere.
Tipp: Da Moltebeeren hier schwer zu bekommen sind, alternativ einfach ein Glas Marmelade kaufen und zu Eis verarbeiten. Hyvää ruokahalua!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen