nord🐾thema
: kostprobe

die verlagsseiten der taznord

Köstliches aus dem Norden

Die norddeutsche Küche kennt Spezialitäten, die sich Menschen von woanders gar nicht vorstellen wollen

So zart, der Fisch: Zwei Marinesoldaten probieren Glück­städter Matjes Foto: Carsten Rehder/dpa

Dicke Rolle vom Schlachter

Knipp ist im ungebratenen Zustand eher so grau, gräulich, gebraten dann hell- oder dunkelbraun, je nach Bratgrad. Auf jeden Fall gehört diese Spezialität aus Bremen und Teilen Niedersachsens richtig knusprig gebraten. Das ist wichtig. Und das Zeug ist wirklich fettig, nichts für Leute, die nicht deftig essen mögen. Ursprünglich war diese Grützwurst mal eine Resteverwertungswurst. Schlachtresteverwertungswurst, die man mit allem Möglichen, vor allem mit Getreide, gestreckt hat, um mehr davon zu haben.

Hinein gehören Hafergrütze, Schweinskopf, Schweinebauch, Schwarte, Rinder- oder Schweineleber und Brühe, Schmalz oder Speck, Zwiebeln, Piment. Aber ich glaube, das macht lange schon kaum mehr jemand selbst. Knipp kauft man sich beim Schlachter. Selbst meine Omas haben Knipp früher als dicke Rolle beim Schlachter gekauft, von der man bequem Scheiben abschneiden und braten kann.

Was soll’s, ich mochte Knipp

Als mein erster echter Freund seine erste echte Wohnung bezogen hatte, lud er mich zum Essen zu sich ein: Ich koche! Hatte er gesagt. Es gab Weißwein aus eckigen Weingläsern und Knipp mit Bratkartoffeln und Apfelmus. Oder mit süß-sauer eingelegtem Kürbis? Das weiß ich nicht mehr, ’ne saure Gurke könnte auch dabei gewesen sein oder auch ein Spiegelei. Das gehört da eigentlich zu oder Rote Bete, obwohl es die sicher nicht gab, die mochte ich mit 17 noch nicht. Ich weiß aber, dass es Knipp gab, und ich dachte, mmmh, also kochen? Aber was soll’s, ich mochte Knipp.

Bei uns zu Hause gab es den auch nicht selten. Allein deswegen unvergessen, weil meine Mutter die Buchstaben K und N hintereinander nicht recht aussprechen kann. Bei ihr klingt das wie Hildegard Gnef, Gnie oder eben Gnipp. Ganz nasal. Damit kann man sie immer noch aufziehen. Na, Mama, was gibt’s heute? Gnipp. Vielleicht frage ich sie das nächste Mal, wenn ich zu Besuch bin, wie diese Bremer Grützwurst noch gleich heißt? Ilka Kreutzträger

Männer, die in Fische beißen

Der Dänenkönig Christian IV. gründete Glückstadt an der Elbe im Jahr 1614 als Konkurrenz zu Hamburg. Der Plan ging nicht auf, der Ort ist klein und beschaulich geblieben. Einmal im Jahr aber schaut Schleswig-Holstein zum Glückstädter Markt, wenn die großen Fässer auf das Kopfsteinpflaster vor die Kirche mit der Fortuna-Figur gerollt und die ersten Matjes, also in Salz eingelegte Heringe, verteilt werden. Heringe werden in der ganzen Nordsee gefischt, Glückstadt hat daraus ein Event gestrickt. Zum Auftakt der „Matjeswochen“ reist viel Prominenz an, um öffentlich in Fische zu beißen.

Enzym aus der Bauchspeicheldrüse

In diesem Jahr entfiel das Spektakel, neue Matjes gibt es dennoch. Dabei handelt es sich um „jungfräuliche“, also noch nicht geschlechtsreife Heringe, die in einem Holzfass gereift sind, teils nur in Salz, teils in Rotwein- oder Sherrylake. Ein Enzym, das beim klassischen Verfahren aus der Bauchspeicheldrüse des Tieres stammt, gibt ihm seinen Geschmack. Bei Fabrik-Matjes wird das Enzym künstlich zugeführt. Beruhigend: Der Hering gehört nicht zu den gefährdeten Arten. Allerdings nähmen die Bestände in der Ostsee ab, berichtet der WWF.

Matjes wird kalt gegessen. Er passt auf ein Fischbrötchen, zu Zwiebel, Apfel und Gewürzgurke, aber auch zu Reibekuchen und Ziegenfrischkäse – Rezepte auf der Glückstädter Homepage. Esther Geißlinger

Lübsche Verführung

Wer an Lübeck denkt, der denkt unweigerlich an Marzipan. Seit Jahrhunderten ist Marzipan das unwiderstehliche Markenzeichen der Stadt. Bereits nach 1800 feierte die lübische Verführung ihren großen Durchbruch. Lübecks Ruf als Marzipanstadt galt als gesichert, seine Vorrangstellung in der Marzipanproduktion weitgehend anerkannt. Nun begann der Siegeszug des Marzipans um die Welt.

Der langjährige Geselle Johann Georg Niederegger (1777–1856) führte zunächst die Konditorei seines Chefs weiter, bevor er eine eigene Manufaktur gründete. Er belieferte sogar Könige und Zaren. Erfunden wurde das Marzipan im Orient, wo Mandeln und Zucker beheimatet sind. Überliefert wurde das Geheimnis seiner Herstellung von den Kreuzrittern. Sie trugen die legendäre Rezeptur in den Norden.

Höchstens 35 Prozent Zucker

Aber woraus wird das Lübecker Marzipan eigentlich gemacht? Marzipanrohmasse wird nur aus Mandeln, Zucker und Wasser hergestellt. Der Anteil des Zuckers in der Rohmasse darf höchstens 35 Prozent betragen.

Ein Rundgang durch Lübeck bietet jede Menge Highlights und Genüsse. Die Niederegger-Marzipanerie ist ein Schlaraffenland für Marzipanfreunde. Im gleichnamigen Marzipansalon können Fans bei einer Modelliervorführung erleben, wie Marzipanfiguren entstehen. Und wem das alles noch nicht reicht, der kann im Marzipanmuseum während einer Show sogar sein Marzipanabitur ablegen.

Nicht zu vergessen das große Geschmackserlebnis für Süßmäuler mit Kultstatus. Die klassische Lübecker Marzipantorte ist ein Evergreen, der nicht aus der Mode zu kommen scheint: Ein Mürbeteigboden, mehrere Schichten Biskuit und eine nussige Marzipan-Sahne-Creme machen Sie zu einer beliebten Kreation für Marzipanliebhaber. Anja Junghans-Demtröder

Kultgebäck aus Hamburg

Eines fällt in jeder Hamburger Bäckerei auf: Ein Duft von Marzipan und Zimt liegt in der Luft, denn ein Franzbrötchen darf in keinem Sortiment fehlen. Im 19 Jahrhundert taucht es zunächst als Franzbrot auf, als ein langer Laib Brot, das dem heutigen Baguette ähnelte. Nach der Jahrhundertwende wurde das Franzbrötchen von einem Altonaer Bäcker in der Fettpfanne verfeinert. Mit der Zeit hat es sich zu einem klebrig-süßen Plundergebäck aus Hefeteig entwickelt.

Die wesentlichen Zutaten sind Weizenmehl, Butter sowie Zimt und Zucker. Der Hefeteig wird mit Schichten aus Butter mehrmals vor dem Backen gefaltet, zu einer Schnecke aufgerollt, in Scheiben geschnitten und großzügig mit der Zucker-Zimt-Mischung bestreut, die dem Gebäck die spezielle Note verleiht.

Zum Sehnsuchtsgebäck geworden

Für viele waschechte Hamburger hat sich das Franzbrötchen zu einem Sehnsuchtsgebäck gemausert. Es existiert in vielen Varianten mit Nüssen, Streuseln, Rosinen oder Schokolade. Der erste Platz gebührt der klassischen Variante mit Zucker, Zimt- oder Marzipangeschmack.

Die Fangemeinde ist deutlich über Hamburg hinaus gewachsen. Vormals nur in der Hansestadt kann man es jetzt auch in anderen Städten erwerben. Ob zum Frühstück oder als Snack zwischendurch: Frisch aus dem Ofen schmecken Franzbrötchen am Besten. Anja Junghans-Demtröder

Hausmannskost für schlechte Zähne

Kann man dieses lieblose Gematsche essen? Zugegeben, Labskaus gehört nicht gerade zu den äußerlich ansprechenden Gerichten. Dennoch ist es eine typisch nordische Hausmannskost, die auch in Teilen von Skandinavien und England gegessen wird.

Die Historie des Gerichts ist fast so alt wie aufgetischtes Seemannsgarn. Legenden erzählen, dass das Gericht auf hoher See entstand. Erstmals wurde die Mahlzeit 1706 erwähnt – in einer Zeit, in der gepökeltes Fleisch auf Segelschifffahrten zur überlebenswichtigen Ration für Matrosen und Seefahrer gehörte. Seinerzeit waren die Zähne der Seeleute durch Skorbut dermaßen geschädigt, das der Koch die Portionen kleinhacken oder pürieren musste. So entstand ein Brei aus gepökeltem Rindfleisch, eingelegter Roter Bete, Zwiebeln und Kartoffeln.

Comeback auf der Speisekarte

Lange Zeit war es still um das alte Seefahrergericht. Es schien in Vergessenheit geraten zu sein, doch in jüngerer Zeit konnte es sein Comeback feiern. Heute steht Labskaus auf den Speisekarten vieler Restaurants mit Hamburger oder norddeutscher Küche.

Wie bei vielen Gerichten gibt es kein Originalrezept, sondern lokal unterschiedliche Variationen. Die Norddeutschen essen traditionell Rollmops, Spiegelei, saure Gurke und Rote Bete zum Labskaus. Die Norweger hingegen kombinieren Steckrüben und Wurzelgemüse damit. Besonders im Winter ist das herzhafte und deftige Gericht sehr beliebt.

Tipp: Labskaus am vorigen Tag zubereiten. Aufgewärmt schmeckt das Gericht am besten. Und wer auswärts essen gehen möchte, ist in der Hamburger Haifischbar gut aufgehoben, seemännisches Feeling inklusive. Anja Junghans-Demtröder