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„Warum sollen Frauen nicht?“

Das Spiel der Frauen war das Lebensthema des Journalisten Rainer Hennies. Dieser Text über die äpyptische Fußballemanzipation erscheint 1998 in der taz – ein Nachdruck

Von Rainer Hennies

Sahar Hawary lebt in Kairo. Auf Traditionen gibt sie nicht viel, um so mehr aber auf den Frauenfußball. Seit ihrer Kindheit ist sie fußballbegeistert. Es lag nahe: Ihr Vater war Fifa-Schiedsrichter. „Ich habe viel mit meinem Bruder Fußball gespielt, und bei den Reisen meines Vaters waren wir oft dabei“, sagt Hawary. Obwohl sie irgendwann in Ermangelung eines Fußballteams zur Handballerin wurde, blieb der Fußball für Mittelpunkt, wurde zur Herausforderung und Lebensaufgabe. Sie wollte einführen, was es nicht gab.

Noch 1995 existierten in Ägypten Fatwas, religiöse Vorschriften, gegen Frauenfußball. In der öffentlichen Diskussion überwogen traditionelle Meinungen: Der Frauenfußball zerstöre die Weiblichkeit. Das machte Hawary erst richtig wild. Finanziell ist sie unabhängig, und so fuhr sie auf eigene Kosten übers Land und suchte nach Talenten für ein gutes Team, um mit sportlichen Argumenten zu überzeugen.

Die 21-jährigen Zwillinge Wesam und Reham Ossman waren Leichtathletinnen – Hawary gewann sie für den Fußball. Ebenso schaffte sie es bei der erst 14-jährigen Sara Hasanan oder der Stürmerin Magdoleen Mahran (20). Die war ägyptische Tennismeisterin. Hawary half ihr nach einem Absturz in der Rangliste, ihre Liebe zum Fußball neu zu entdecken. „Als Kind habe ich oft mit den Jungen gekickt“, sagt Mahran. „Ich war deshalb richtig froh, als ich Sahar Hawary kennengelernt habe.“

Sahar Hawary, die einen Universitätsabschluss in Massenkommunikation hat, ist tatsächlich eine energische Frau. Wenn sie etwas will, kriegt sie es auch. Mittlerweile ist sie Präsidentin der Frauen im Ägyptischen Fußballverband. „Dass Frauenfußball 1996 olympisch wurde und im ägyptischen Fernsehen diese Fußballspiele gezeigt wurden, hat meinen Argumenten sehr geholfen“, sagt sie. Immer wieder habe sie gedrängt, Ägypten dürfe nicht im Abseits stehen, wenn ein Sport die Welt erobere. Es hat geholfen. Ägyptens Sportminister erkannte nach Olympia den Frauenfußball als Sport an. Der Fußballverband zog im letzten Jahr nach.

Mittlerweile nimmt die Nationalelf bereits an interna­tionalen Wettbewerben teil. Sie ist dank der Energien und der Strategie ihrer Chefin spektakulär gestartet: Im Winter veranstaltete Hawary beim männlichen Traditionsverein Zamalek in Kairo ein Five-a-side-Hallenturnier. Die Teilnehmer waren Marokko, Algerien, Tunesien, Lybien, Syrien, Jordanien und der Libanon. Ägypten erreichte das Finale, verlor jedoch mit 2:3 gegen Marokko. Das Fernsehen übertrug live, obwohl es vom Gold der Saudis dominiert wird, die bekanntlich am stärksten den arabischen Traditionen verhaftet sind.

Das erste offizielle Länderspiel fand im April dieses Jahres in Port Said statt. 15.000 Zuschauer, Liveübertragung, 1:1 gegen Uganda in der Qualifikation zur WM und am Ende Tränen, die über das Gesicht von Torhüterin Shereen Shalaby kullerten. „Ich habe einen Fehler gemacht, der guten Torwarten nicht passieren darf“, sagte Shalaby (21). Die ehemalige Volleyball-Nationalspielerin kassierte den Ausgleichstreffer, weil sie eine Flanke unterlaufen hatte. Entsprechend glücklich war sie, als beim Rückspiel in Kampala vor 20.000 Fans Heba Farouk ihr Team mit 1:0 ins Finalturnier schoss, bei dem ab dem 1. Oktober die beiden WM-Tickets vergeben werden.

In Nigeria müssen sich die Frauen mit Marokko, Zaire und den „eagle queens“ aus Nigeria, den Top-Favoritinnen, messen. Das Halbfinale ist möglich. Oder vielleicht sogar mehr?

Es ist ein Traum, aber der Verband tut einiges, damit er in Erfüllung geht. Er hat sogar ein mehrwöchiges Sommertrainingslager in Rumänien und Deutschland spendiert. Die Resultate waren ansprechend, insbesondere das 0:1 gegen die Bundesligistin Heike Rheine. In Deutschland zeigten die jungen Ägypterinnen, dass sie über blendende Technik verfügen und zudem äußerst motiviert und zweikampfstark sind. Nur die Auswertung der Tor­chancen ist trotz aller Leidenschaft mangelhaft. Und es fehlt verständlicherweise noch an Wettkampfpraxis.

Das erste offizielle Länderspiel Ägyptens fand im April 1998 vor 15.000 Zuschauern statt

In Ägypten gibt es noch keine Frauen-Teams in den Vereinen. Eine Liga soll im kommenden Jahr gegründet werden. Bislang existieren lediglich mehrere Trainings- und Sichtungszentren, vornehmlich in der Nordhälfte des Landes.

Aber selbst im traditionsbehafteten Ober-Ägypten tut sich etwas. Kadyr Abdel Haleem aus Luxor ist Präsidiumsmitglied im Fußballverband und einer der Vizepräsidenten des Parlaments. Er bestätigt, dass den Traditionalisten zunehmend die Argumente ausgehen. „Die Leute fragen mich oft, warum wir in Luxor noch kein Trainingszentrum für Frauen haben. Ich möchte doch bitte schön eines einrichten.“ Fußball für Frauen sei längst kein Tabu mehr. „Bei uns spielen Frauen Handball und schwimmen. Warum also sollen sie nicht auch Fußball spielen, wenn die ganze Welt das tut?“

Was hat Sahar Hawary gesagt? „Ich will Ägyptens Frauenfußball in Afrika an die Spitze bringen und diesen Sport langfristig im gesamten arabischen Raum etablieren.“ Es scheint, als sei sie auf dem besten Weg. Und: Bisher hat sie noch alles geschafft.

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