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Die Puzzlerin

Aimee Lindhorst war eine zarte Puzzlerin. Jede neue Fassung des Fummelspiels versetzte die empfindsame junge Frau in einen fahrigen Zustand abgrundtiefer Erschütterung. „Alles kaputt, o je“, klagte sie jetzt ergriffen, als die 10.000 Teile vor ihr lagen, die ein Bild der Golden Gate Bridge in San Francisco ergeben sollten. Vor allem aber war da das Gefühl des Verlusts, denn wie immer zu Beginn eines Puzzles war sie sich sicher, dass am Schluss ein letztes Teil fehlen würde. „Immer fehlt eins!“, jammerte Aimee. „Eine Angst, die wir ‚Puzzle-Phobie’ nennen“, erläuterte Prof. Stockinger seinen versammelten Doktoranden. Als Entdecker der neuartigen Störung stand der bekannte Tübinger Nervenarzt der sensiblen Puzzlerin seit Jahren zur Seite und legte stets das erste Teil. „Nur noch 9.999“, munterte der Professor seine Patientin auf. Aimee Lindhorst lächelte sehr sparsam.