: Ein Wunder am Werk
Im 17. Jahrhundert rieben sich die Menschen die Augen, als sie den Gottdorfer Globus sahen. Zu Hause ist das „Wunderwerk“ in St. Petersburg – nun aber ist an seinem Entstehungsort, dem Schloss Gottorf in Schleswig, ein Nachbau zu bestaunen
von Esther Geißlinger
In Schleswig ist die Welt zu Hause. Zumindest dreht sie sich da, in verkleinerter Form, aber immerhin. Der Gottorfer Globus, ein Wunderwerk aus dem 17. Jahrhundert, ist in den Fürstengärten hinter dem Schloss Gottorf in Schleswig als Nachbau des historischen Vorbilds wieder auferstanden. Das 1650 geplante Original, das als „Wunderwerk“ galt, hatte sich der russische Zar Peter der Große 1713 als Geschenk nach St. Petersburg kommen lassen. Dort befindet sich der Original-Globus auch heute noch.
Die Stiftung Landesmuseen, zu der das Schloss gehört, hat den Nachbau des historischen Globus in einem neuen Globushaus in den Fürstengärten aufgestellt. Rund 2,5 Millionen Euro kosteten Globushaus und Erdenrund – bezahlt von der Hermann-Reemtsma-Stiftung.
Im Inneren
Der Himmel beginnt sich zu drehen. In Schwindel erregender Geschwindigkeit gleiten die Sternbilder vorbei: Fische, Skorpion, Krebs, Zwillinge. Große Figuren, bunt ausgemalt, voller Details. Die Sonne, eine Kugel aus Bergkristall, saust auf einer schrägen Kreisbahn durch das Rund der Himmelsbilder. Insgesamt acht Minuten dauert die Fahrt, bei der die Passagiere still sitzen und der Himmel rotiert – eine Fahrt, für die die wirklichen Sternbilder 24 Stunden brauchen.
Der Hype
Der Besucherandrang nach der Eröffnung Mitte Mai war so groß, dass das Museum in den ersten Tagen verkündete, bis Herbst sei alles ausgebucht. „Der Globus kann kein Massenmagnet sein, weil nur acht Personen hineinkönnen“, sagt Museumssprecher Thomas Gädeke. Außerdem ist das Vergnügen nicht ganz billig: 10 Euro kostet die Fahrt der Sterne. Das Museum braucht das Geld. Zwar musste es für Globus und Globushaus nichts zahlen, die Folgekosten aber müssen aus den Eintrittsgeldern aufgebracht werden. Das Land hat keinen Cent dazu bezahlt – „das ist bitter, auch für die Spender“, sagt Gädeke.
Also ist es wichtig, dass Gäste kommen. Die sind aber abgeschreckt durch die Nachricht, der Globus sei restlos ausgebucht. Gädeke sagt: „Es sind durchaus freie Plätze da.“ Allerdings rät er zur Reservierung.
Die Geschichte
Mitte des 17. Jahrhunderts entstand der Globus, entworfen von Adam Olearius für den Gottorfer Herzog Friedrich III. Zunächst stand das begeh- und drehbare Wunderwerk aus Holz und Metall in den Fürstengärten bei Schloss Gottorf, dann wurde der Koloss – 3,11 Meter im Durchmesser, drei Tonnen schwer – nach Russland gebracht, ein Geschenk an Peter den Großen, der als Alliierter des dänischen Königs das besiegte Gottorf besuchte. Anfangs fand der Globus seinen Platz in der Zarenresidenz Zarskoje Zelo, dann auf dem Marsfeld der Hauptstadt. 1726 wurde er als erstes Ausstellungsstück in das neue Wissenschaftsmuseum Kunstkammer gebracht, wo er bis heute steht.
Die Urheberrechtsfrage
Im ursprünglichen Globus sorgten Zahnräder angetrieben von einer Wassermühle dafür, dass sich der Globus in 24 Stunden um sich selbst drehte. Wer im Inneren saß, sah alle Sterne des Himmels auf- und untergehen. Eine Handkurbel ließ den Himmel schneller drehen. Aber der ursprüngliche Mechanismus ist verloren: Der Globus musste völlig neu konstruiert werden.
“Ich habe ihn entwickelt“, sagt der Schleswiger Handwerksmeister Jochen Sörensen. Rund 30.000 Arbeitsstunden brauchte er für Konzeption und Bau, entwarf mehrere miteinander verbundene Elektromotoren, die den Globus drehen und im Notfall schnell stoppen. Konstruktion, Material, Bauart: Alles an seinem Schreibtisch ausgetüftelt. „Daher habe ich auch das Urheberrecht.“ Das sei ein vollkommen normaler Vorgang, sagt Sörensen, der eine Kunstschmiede- und Metallbauwerkstatt in Schleswig besitzt.
Im Landesmuseum stößt das auf Unverständnis: „Wieso? Herr Sörensen ist doch bezahlt worden, und damit hat er die Rechte abgegeben“, wundert sich Museumssprecher Thomas Gädeke. Dass es da Unstimmigkeiten geben könnte: nie davon gehört. Stattdessen lobt er den Metallhandwerker für seine Arbeit: „Das ist sein Lebenswerk, darauf ist er mächtig stolz, und das kann er auch sein.“
Dass aber rechtliche Ansprüche bestehen könnten, würde Sörensen sein Urheberrecht ausschöpfen wollen – der Museumsmann ist skeptisch: „Urheberrecht für einen Nachbau?“ Ganz sicher ist sich aber auch Sörensen nicht.