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Mobile Teilhabe zum Sonderpreis

Die Ak­ti­vis­t:in­nen des 9-Euro-Fonds fordern eine sozial gerechtere Alternative als das 49-Euro-Ticket. Der Fonds kommt auch für Teilnehmende ohne Fahrschein auf – abgesichert durch die Satirepartei „Die Partei“

Neun Euro für ein Monatsticket ist ein Preis, den sich fast alle leisten können Foto: privat

Von Nicole Opitz

Wenn das 9-Euro-Ticket schon nicht fortgeführt wird, dann machen wir es einfach selbst. So dachten sich die Aktivist:innen, die den 9-Euro-Fonds initiierten. Die Mitmachenden kaufen dabei keinen Fahrschein, sondern zahlen 9 Euro in einen gemeinsamen Topf ein. Aus diesem werden alle Zahlungsaufforderungen abgegolten, die wegen Fahren ohne Ticket eingehen.

„Es gibt Leute, die sich die teuren Ticketpreise nicht leisten können, aber klimagerecht mobil sein wollen, und die unterstützen wir jetzt“, sagt Leo Maurer, einer der Ak­ti­vis­t:in­nen des Fonds. Maurer heißt eigentlich anders, weil seine Kampagne zum zivilen Ungehorsam aufruft, möchte er seinen Namen aber nicht in die Öffentlichkeit tragen.

Das 9-Euro-Ticket, das vergangenes Jahr für drei Monate bundesweit gültig war, habe gezeigt, dass Klimapolitik und soziale Teilhabe miteinander vereinbar seien, so der Aktivist: „Wir sind dann am 1. September an die Öffentlichkeit gegangen, an dem ersten Tag, als es das 9-Euro-Ticket nicht mehr gab.“ Ziel der Gruppe sei es, dass es wiedereingeführt werde.

Doch stattdessen kam das 49-Euro-Ticket, das für viele zu teuer ist. „Armutsbetroffene mussten letzten Sommer zum ersten Mal keine Angst haben beim Bahnfahren.“ Diese Menschen seien mit dem 49-Euro-Ticket ausgeschlossen von mobiler Teilhabe, so Maurer. Das verteuerte Ticket sei lediglich „eine Vergünstigung für Berufspendler“.

Nachdem der Fonds im September startete, wurde er im Oktober von der Satirepartei Die Partei übernommen. Das sichere eine dauerhafte Finanzierung: „Die Gründe dafür liegen im Parteienrecht“, erklärt Leo Maurer. Einzahlungen in den Fonds werden wie Spenden behandelt, auf die noch mal ein extra Zuschuss gezahlt wird. „Mit diesem Geld kaufen wir gemeinsam mit dem Freiheitsfonds Leute frei, die nicht Mitglied im Fonds sind und wegen Fahrens ohne Ticket im Gefängnis sitzen.“ Rund 1.600 „erhöhte Beförderungsentgelte“ konnten auf diesem Weg bezahlt werden. Die Partei helfe dem Fonds zwar finanziell, aber sonst agiere man „total autonom“, sagt Maurer.

Doch noch immer steht illegales Fahren im Strafgesetzbuch, was zur Folge hat, dass Menschen, die ihre Geldstrafe nicht zahlen können, in der Regel im Knast landen. Vom 9-Euro-Fonds wird gefordert, dass diese sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen abgeschafft werden, indem illegales Fahren als Ordnungswidrigkeit behandelt wird.

Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Plattform „Frag den Staat“ sprechen sich immerhin zwei Drittel der Bevölkerung dafür aus, Schwarzfahren als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Doch Justizminister Marco Buschmann will lediglich die Anzahl der Hafttage halbieren. „Das reicht nicht, weil das Problem bestehen bleibt – Fahren ohne Ticket muss entkriminalisiert werden und die Ersatzfreiheitsstrafen gehören abgeschafft“, sagt Maurer. „Viele Betroffene, oft Erwerbslose Menschen, Menschen ohne Obdach oder mit psychischen Krankheiten, werden im Strafvollzug suizidal.“

Wichtig ist den Ak­ti­vis­t:in­nen die Verbindung zwischen Klima- und sozialer Gerechtigkeit. „Der 9-Euro-Fonds zeigt mit Aktionen des zivilen Ungehorsams, dass die Verkehrswende nur dann gelingt, wenn sie sozial gedacht und umgesetzt wird“, stand in der Bewerbung für den taz Panter Preis. Bundesweit 9.500 Menschen haben bisher mindestens einen Monat lang in den Fonds eingezahlt.

Als sie erfahren haben, dass sie zu den Panter-Preis-Nominierten gehören, hätten sie sich sehr gefreut, sagt Maurer. „Der erste Artikel über uns ist in der taz erschienen. Das war ein gutes Gefühl, auf diese Art noch mal an den Anfang zurückzukehren.“

Dass Menschen mit Behinderung während der Zeit des 9-Euro-Tickets wegen der großen Bahnauslastung noch weniger am mobilen Leben teilhaben konnten, weiß auch Maurer. Darum sei es umso wichtiger, dass der Bedarf von Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden. Hier sieht Maurer die Ampel in der Pflicht: „Über die Verkehrspolitik der Regierung sind wir immer wieder bestürzt.“

Die Ak­ti­vis­t:in­nen wünschen sich, dass guter Klimaschutz mit entsprechenden Arbeitsbedingungen verbunden wird. „Wir sehen den 9-Euro-Fonds als Brückentechnologie, eigentlich braucht es natürlich eine solide politische Lösung und Geld, das statt in den Ausbau von Autobahnen in den ÖPNV fließt.“

Mehr Infos: 9eurofonds.de

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