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Krypto-Währung namens Ego

Schafe und Wölfe und ein armes Würstchen. Sebastian Hotz lässt in seinem Debüt „Mindset“ die Gesellschaftskritik wie geschmiert laufen

Von Ekkehard Knörer

Da ist Mirko, der IT-Knecht einer kleinen Firma, der Mann, der hilft, wenn sich Word oder Windows mal wieder komisch benimmt. Da ist Angela, Buchhalterin im selben Unternehmen, Herrin der Excel-Tabellen, vor allem aber hält sie, Schützenfeste und Geburtstagsfeiern im Blick, als gute Seele den Laden zusammen. Da ist Yasmin, sie arbeitet an der Rezeption eines Mülheimer Kettenhotels. Meist zu Tode gelangweilt, macht sie sich den Arbeitstag durch Podcasthören und Internetsurfen ein klein wenig schöner. Auch tiefere Einblicke in die Lieferdienst-Szene, 12 Euro die Stunde, mickriges Trinkgeld, hält das Buch noch bereit.

Und dann ist da Maximilian Krach, der Protagonist dieses Buchs. Seine Angeber-Uhren, seine Weltreisen, seine Luxuskarossen, sein Reichtum, sein Erfolg, auf Instagram reich dokumentiert: alles fake, inexistent, Bild für Bild zusammengeklaut aus dem Netz. Selbst die meisten Follower sind gekauft, seine Firma Krach Consulting ist ein Potemkinsches Dorf. Auf dessen Fassaden steht das Mantra von MINDSET. DISZIPLIN. EGO: ein enthirnter Vulgär-Darwinismus, der die Menschen in Wölfe und Schafe sortiert. Krach und das Häuflein, das er um sich schart, wollen natürlich zu den Wölfen gehören.

Sebastian Hotz: „Mindset“. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023. 288 Seiten, 23 Euro

Wie es sich gehört, steht ein Ponzi-Scheme hinter allem: Krach sucht Leute, die dumm genug sind, seine eigene Krypto-Währung namens $EGO zu kaufen. Alle paar Wochen lädt er zur Seminar-Performance in wechselnden Kettenhotels. Die paar Männer, die sich einfinden, sind eine wahrhaft traurige Truppe. Als IT-Mann Mirko dazustößt, der dringend der Erlösung aus seinem tristen Dasein bedarf, kommt der Plot so langsam ins Laufen.

In seinen besten Momenten ist „Mindset“, das Romandebüt des in und aus den sozialen Medien als El Hotzo bekannten Sebastian Hotz, etwas, das es so häufig nicht gibt: Literatur der Arbeitswelt nämlich. Geschildert wird nicht ohne Komik die Tristesse dessen, was so viele Tag für Tag stundenlang tun und tun müssen, um ihr Leben zu fristen. Nicht unbedingt prekär, aber entschieden sehr öde. Das sind toxische Jobs, die noch toxischere Fantasien von männlicher Stärke und materiellem Erfolg gebären. Deren Verkörperung ist Maximilian Krach. In der Selbstdarstellung hot shit. In Wahrheit ein Würstchen. Gleich zu Beginn bricht er auf der Toilette zusammen.

Diese Hauptfigur Maximilian Krach ist hot shit – in seiner Selbstdarstellung

In seinen nicht so guten Momenten, und leider insgesamt auch, ist das Buch vor allem die Illustration seines nicht weiter komplexen Programms der Kritik am gegenwartskapitalistischen Elend. Besonders störend sind aus der Handlung springende Kurzkapitel, die Themen wie Arbeit, Müll und Universum ihrerseits vulgärphilosophisch ausbuchstabieren. Zwischen den Roman und seinen Autor, wie man ihn von Twitter und Instagram kennt, passt in dieser Hinsicht kein Blatt. Die Figurenhandlung stellt vor Augen, was schon der Klapptentext sagt. Immerhin tut sie das unterhaltsam genug: Der Plot ist gut gebaut und lässt Platz für Pointen

Nur dass der scharfe Witz der sozialmedialen Formate, der durch Kürze gewinnt, auf der längeren Strecke doch eher blass bleibt. Es fehlt ein Surplus nicht der ökonomischen, sondern der ästhetischen Art. Kaum einmal erwacht eine Figur oder eine Szene zu der Sorte Eigenleben, die gute Fiktionen ausmachen. Hotz ist am Ende auch einfach nicht böse genug. Die Texte eines Heinz Strunk setzen an ähnlichen Abgründen an. Und begeben sich dann tief und tiefer hinein. In „Mindset“ dagegen wird nur per Doppelklick das Programm gesellschaftskritik2023.exe geöffnet. Und läuft auch ganz rund.

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