Frankreich-Uli auf der Flucht

Nach Informationen von Radio Bremen hat sich Bremens früherer Bürgermeister und CDU-Finanzsenator Ulrich Nölle nach Frankreich abgesetzt – um sich seinen Gläubigern zu entziehen. Für die CDU ein rein privater Vorgang

Bremen taz ■ Amtsrichter Rosemeier hatte gestern einen anstrengenden Tag. Ständig klingelten Journalisten aus dem fernen Bremen in seiner Dresdner Amtsstube – denen er die feinen Unterschiede zwischen einem straf- und einem zivilrechtlichen Haftbefehl erklären musste. Letzteren hat sein Haus offenbar gegen den früheren CDU-Finanzsenator Ulrich Nölle erlassen. Grund scheint Nölles Nichterscheinen bei Gericht zu sein, wo er – auf Betreiben eines Großgläubigers – eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse machen sollte.

Nach Informationen von Radio Bremen hat sich Nölle bereits Anfang des Jahres zusammen mit seiner Frau nach Frankreich „abgesetzt“ – als bereits ein Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vorlag. Dort hatte Nölle mit 1.600 Plattenbau-Wohnungen gedealt, was seinen Schuldenstand allem Anschein nach weiter in die Höhe trieb. Reinhard Sablotny, RB-Rechercheredakteur, spricht von „vielen Millionen Euro Schulden“.

Warum der Umzug ausgerechnet nach Frankreich? Für den südlichen Nachbarn spricht neben dem Wetter auch dessen moderate Finanzgesetzgebung. Bereits nach 15 Monaten kann dort die gerichtliche „Restschuldbefreiung“ zugesprochen werden, während in Deutschland verbleibende Bankrotteure mit über sechs Jahren zu rechnen haben.

Nölle ist niemand, der gern lange auf neue Geschäftsmöglichkeiten wartet. Nach seinem endgültigen Ausstieg aus der Politik vor knapp fünf Jahren versuchte er sich kurz hintereinander in jeweils groß angekündigten Mega-Projekten: Den Bremerhavenern versprach mit der Fabrikation des „billigsten Autos der Welt“ 3.500 Arbeitsplätze, kurz darauf wollte er den leer stehenden Spacepark mit „Mobilen Welten“ füllen. Das Problem: Nölle ruinierte sich durch derlei Luftinvestitionen nicht nur selbst, sondern auch Geschäftspartner, die dem honorigen Banker und Ex-Senator vertrauten. 1999 etwa gingen 120 Arbeitsplätze in Ottersberg verloren, weil die dortige Baufirma Seeger durch ein gemeinsames Hamburg-Geschäft Konkurs ging. In diesem Fall hatte Nölle über die Firma „Nordgrund“ agiert, an der nicht nur Nölles Gattin sondern auch der Parteifreund und frühere Senatskollege Borttscheller (samt Gattin) beteiligt war. Partner Borttscheller hatte zuletzt von sich reden gemacht, als er vor vier Monaten einen gefälschten Scheck über 500.000 englischen Pfund beim Bankhaus Neelmeyer einreichte – im Auftrag eines später untergetauchten Mandanten. Ein weiterer kongenialer Nölle-Partner war der langjährige Intendant des Waldau-Theaters, Michael Derda. Als Aufsichtsratschef deckte Nölle Derdas Machenschaften bis zur Pleite. Der Insolvenzverwalter bescheinigte Nölle daran wesentlichen Anteil.

Geschäftliche Tüchtigkeit kann dem gebürtigen Dortmunder jedenfalls nicht abgesprochen werden. Er arbeitet sich als Sparkassenlehrling über die Institutseigene Akademie bis an die Spitze der Bremer Sparkasse hoch. Dort allerdings ist sein Fall „kein Thema“ – obwohl Nölle 14 Jahre im Vorstand saß.

Früher galt Nölles Wechsel von der Sparkasse auf den CDU-Senatorenstuhl als „Glücksfall für Bremen“, wie Parteichef Bernd Neumann sich ausdrückte. Der „Weser-Kurier“ sprach von „bremisch solide“. Henning Bleyl