berliner szenen: Hoffnung in monatlichen Raten
Blauer Himmel über Berlin“ heißt das graue Aquarell, das an der Wand des Jiu- Jitsu-Vereins hängt und für das der Künstler 9.000 Euro will.
Jedes Mal, wenn ich das Bild sehe, muss ich lachen. Als ich an diesem Freitag beim Anblick des Bildes wieder einmal lachen muss, fragt mich eine andere Mutter auf Englisch, was auf dem Schild stehe. Ich übersetze. Sie stimmt in mein Lachen ein.
Und erzählt, dass sie ihren Sohn zu einer Teststunde gebracht habe in der Hoffnung, dass er durch Jiu-Jitsu neues Selbstbewusstsein bekäme. Er sei immer fröhlich und aufgeweckt gewesen. Doch in letzter Zeit sei er kaum wiederzuerkennen, verschreckt und verhuscht: „Wir kommen aus der Ukraine. Was er da mitansehen musste, sollte kein Kind sehen müssen.“ Ich nicke mitfühlend.
Ihr Telefon klingelt. Sie seufzt und geht nach draußen. Als sie wiederkommt, erklärt sie: „Mein Vater. Ich habe alles darangesetzt, ihn mitzunehmen, aber er hat sich geweigert. Meint, er überlässt sein Haus nicht kampflos den Russen. Jetzt sitzt er da und wartet.“
Ihn noch im Land zu wissen, bringe sie um: „Immer, wenn ich gerade einen guten Moment habe, ruft er mit einem Mal an oder ich muss an ihn denken und nichts ist mehr gut.“ Im Gegensatz zu ihrem Mann hätte ihr Vater die Wahl gehabt, das Land zu verlassen: „Aber er ist alt und stur.“
Ich frage, wie lange sie bereits hier sei und was sie in Berlin mache. Sie lächelt: „In der Ukraine war ich Chefin von einem Jobcenter. Hier bin ich jetzt Bittstellerin.“
Als das Jiu-Jitsu endet, fragt sie den Trainer, ob sie, statt einen Jahresvertrag abzuschließen, monatlich zahlen könne: „Ich hoffe immer noch, wir können bald zurück. Einen Jahresvertrag abzuschließen, würde sich wie aufgeben anfühlen.“
Eva-Lena Lörzer
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