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Chronologie von Massenmord und Widerstand

Das Warschauer Getto: eine von den Nazis errichtete und niedergebrannte Todesstätte

Von Klaus Hillenbrand

Es war ein verzweifelter Akt des Widerstands: Der Aufstand im Warschauer Getto unterstreicht, dass sich die vom Tod bedrohten Jüdinnen und Juden während der NS-Herrschaft keineswegs, wie immer wieder behauptet, kampflos ihren Mördern ergeben haben.

Schon mit Beginn des deutschen Überfalls auf Polen am 1. September 1939 beginnen die Diskriminierungen, Schikanen und Morde an der Minderheit. In der Folge wird der Besitz jüdischer Bürger konfisziert, sie werden registriert, vom Schulbesuch ausgeschlossen und zur Zwangsarbeit eingeteilt. Vom 1. Dezember 1939 an müssen polnische Jüdinnen und Juden eine Art Davidstern tragen.

Warschau hat mit rund 350.000 Menschen die größte jüdische Gemeinde Europas. Die Zahl erhöht sich während der Nazi-Herrschaft durch Zwangsumsiedlung um weitere 100.000. Sie alle werden gezwungen, in einem von Mauern und Stacheldraht abgetrennten Getto zu leben.

Vom 16. November 1940 an sind etwa 450.000 Menschen auf engstem Raum eingesperrt. Übertritte in den „christlichen Teil der Stadt“ werden mit dem Tod bestraft. Bis Juli 1942 sterben etwa 80.000 Menschen an Hunger und unerträglichen Lebensbedingungen.

Im Juli 1942 beginnen die Deportationen, die meisten Menschen werden im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Nur einige Zehntausend Menschen bleiben in Warschau übrig.

Am 28. Juli 1942 gründen junge Jüdinnen und Juden die Żydowska Organizacja Bojowa (ZOB, Jüdische Kampf-Organisation). Ende des Jahres hat sie etwa 500 Mitglieder. Es kommt zu einzelnen Widerstandsaktionen, die Gruppe verfügt über nur wenige Waffen.

Im Januar 1943 versucht die ZOB mit bewaffneten Aktionen weitere Deportationen zu verhindern. Die Nazis brechen die Getto-Räumung ab. Am Morgen des 19. April 1943 wehren sich jüdische Kämpfer u. a. mit selbstgebauten Handgranaten gegen ins Getto einrückende SS-Einheiten. Der Aufstand hat begonnen. Die Nazis sind überrascht. Ab dem 22. April beginnen sie mit der systematischen Zerstörung aller Gebäude. Die Widerstandskämpfer verschanzen sich in der Kanalisation. Am 8. Mai wird der Bunker der ZOB-Führung entdeckt, einige Dutzend Jüdinnen und Juden begehen Suizid. Am 16. Mai sprengen die Deutschen als Zeichen der Niederschlagung des Aufstands die Große Synagoge.

Der jüdische Historiker Emanuel Ringelblum und seine Helfer haben die Ereignisse im Getto dokumentiert. Er selbst kommt ums Leben, doch die vergrabenen Blechkisten voller Dokumente werden 1946 entdeckt. Zwei Jahre später entsteht das Denkmal für das Warschauer Getto, das durch den Kniefall von Willy Brandt 1970 Bekanntheit erlangt. Direkt daneben befindet sich das 2014 eröffnete Museum der Geschichte der polnischen Juden.

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