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Leicht gebesserte Zustände

Ab Mittwoch kümmert sich ein freier Träger um nicht re­gistrierte Flücht­linge in Reinickendorf

Von Marina Mai

Nach einer starken Zunahme der Zahl neu ankommender Asylbewerber nach Berlin im vergangenen Jahr geht deren Zahl im Januar deutlich zurück. Während bis November 2022 täglich bis zu 150 Asylbewerber neu nach Berlin kamen, sind es im Januar nach Angaben des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) nur 60 bis 70. Das führt dazu, dass das LAF mit der Registrierung neu ankommender Flüchtlinge deutlich vorankommt und Neuankömmlinge nicht mehr bis zu sechs Wochen zum Nichtstun verdammt sind, weil sie auf die Registrierung warten. Aktuell sind 500 neu ankommende Asylbewerber nicht registriert und werden auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik oder auf dem Flughafengelände in Tegel untergebracht. Am 22. 12. waren es noch 1.700. Gleichzeitig konnte das LAF die Registrierungskapazitäten hochfahren, weil neue Mitarbeiter eingearbeitet wurden.

Ab 1. Februar kümmert sich nach Angaben des LAF der freie Träger Tamaja um nicht registrierte Flüchtlinge auf dem Klinikgelände in Reinickendorf. Ein Novum: Er wird auch mit Sozialarbeitern arbeiten. Bisher gab es für diese Gruppe keine Sozialarbeiter, sodass die Neuankömmlinge über Wochen keine Ansprechpartner für ihre Fragen hatten. Sie konnten sich nur an Security-Mitarbeiter wenden, die aber für Fragen rund um das Asylverfahren oder für medizinische Probleme nicht ausgebildet und oft auch nicht ansprechbar sind. Das führte beispielsweise dazu, dass sich, wie die taz recherchiert hatte, Anfang Januar ein Georgier eine Schnittwunde am Finger durch einen medizinisch nicht ausgebildeten Landsmann nähen ließ, denn er wusste keinen Weg, wie er ärztliche Hilfe finden könnte.

Laut amtlicher Statistik kamen 2022 etwa 16.000 Asylsuchende nach Berlin, 6.500 von ihnen wurden in andere Bundesländer umverteilt. Die meisten kamen aus Moldau, Syrien, Afghanistan, Georgien und der Türkei. Die große Gruppe aus Moldau ist allerdings eine Berliner Besonderheit, in anderen Bundesländern spielen Moldawier keine so große Rolle. Für den Januar gibt das LAF Syrien als häufigstes Herkunftsland für Asylbewerber an.

Bisher gab es für diese Gruppe keine Sozialarbeiter, sodass die Neuankömmlinge wochenlang keine Ansprech­partner für ihre Fragen hatten

Nicht in der Statistik enthalten sind die Geflüchteten aus der Ukraine, die keinen Asylantrag zu stellen brauchen. Auch unter ihnen ging nach Angaben des LAF die Zahl der Neuankömmlinge im Januar zurück. Kamen im November 2022 täglich 100 UkrainerInnen neu nach Berlin, waren es im Januar nur halb so viele. Fast 2.000 UkrainierInnen warten allerdings auf dem Flughafen Tegel in miserablen Unterkünften noch auf ihre Verlegung in normale Flüchtlingsheime.

Die Gruppe Blind Spots, die mit Flüchtlingen auf der Balkanroute arbeitet, hatte Mitte Januar vor dem Verein „Asyl in der Kirche“ in Berlin bereits einen Rückgang der Asylbewerberzahlen ab Januar prognostiziert. Grund ist, dass Kroatien im zweiten Halbjahr 2022 wegen des anvisierten Schengen-Beitritts auf seine gefürchteten Pushbacks verzichtet hatte, bei denen Flüchtlinge geschlagen wurden und sich nackt ausziehen musste, bevor sie illegal wieder aus der EU gebracht wurden. Blind Spots vermutet, dass Kroatien nach dem Schengen-Beitritt keine Rücksicht mehr auf schlechte Schlagzeilen nimmt und Geflüchtete erneut gewaltsam nach Serbien zurückschickt.

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