Plan für Kindergrundsicherung: einfach und gerecht

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat Eckpunkte für ihr zentrales Projekt vorgelegt. Die Grundsicherung soll Leistungen bündeln und mehr Familien helfen

Von Anna Lehmann

Es ist das zentrale sozialpolitischen Projekt der Ampelregierung: die Kindergrundsicherung. Nach fast einjähriger Vorarbeit hat das Bundesfamilienministerium von Ministerin Lisa Paus nun erste Eckpunkte vorgelegt und am Mittwoch an die beteiligten Ministerium verschickt. Der Entwurf, über den zunächst die Wirtschaftswoche berichtete, liegt der taz vor. Die neue Kindergrundsicherung soll demnach einfach, unbürokratisch und in der Summe höher sein als alle bisherigen Einzelleistungen.

Den Eckpunkten zufolge will das Familienministerium „nicht nur das Leistungsniveau erhöhen, sondern auch mehr Familien und ihre Kinder erreichen“, und zwar durch „vereinfachte Zugänge zur Leistung und digitale Ausgestaltung des Antrags- und Bewilligungsverfahrens“.

Bisherige Leistungen wie das Kindergeld, der Kinderzuschlag für Familien mit geringem Einkommen oder Sozialleistungen für Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in­nen sollen in der Kindergrundsicherung gebündelt und aus einer Hand ausgezahlt werden. Eine neue Kindergrundsicherungsstelle soll künftig zentraler Ansprechpartner sein. Die Grundsicherung für Kinder soll aus zwei Komponenten bestehen: einem Garantiebetrag, der mindestens der Höhe des 2025 geltenden Kindergeldes entsprechen soll, das sind seit Januar 250 Euro pro Kind.

Perspektivisch soll der Garantiebetrag „der maximalen Entlastungswirkung des staatlichen Kinderfreibetrags entsprechen“, heißt es in den Eckpunkten. Der liegt momentan bei 354 Euro. Mit der Gleichstellung von Freibetrag und Kindergrundsicherung will das Familienministerium mehr Verteilungsgerechtigkeit herstellen. Der Garantiebetrag soll für alle Kinder gleich hoch sein. Bei Familien, die Bürgergeld erhalten, soll er aber mit diesen Leistungen verrechnet werden.

Zweiter Bestandteil der Kindergrundsicherung soll ein Zusatzbetrag sein, der sich nach Haushaltseinkommen und dem Alter der Kinder richtet. In diesen Zusatzbetrag sollen auch der Kinderzuschlag für Familien mit wenig Einkommen von bis zu 250 Euro und der Teilhabebetrag von 15 Euro für Musikschule oder Sportverein integriert werden, auf den Kinder Anspruch haben, deren Eltern Sozialleistungen bekommen. Garantie- und Zusatzbetrag zusammen sollen das Existenzminimum für Kinder verlässlich absichern, so das Ziel.

Ob Familien Anspruch auf den Zusatzbetrag haben, soll künftig der Staat durch einen regelmäßigen „Kindergrundsicherungs-Check“ auf Basis von Steuerdaten erheben. Die Familien sollen dann von der Kindergrundsicherungsstelle informiert werden. Beantragen müssen sie das Geld immer noch selbst. Künftig sollen sie dies jedoch über ein einfach zu bedienendes Online-Portal tun können. Familien, die Bürgergeld, also das bisherige Hartz IV, beziehen, sollen den Zusatzbetrag automatisch erhalten. Aus der bisherigen Holschuld der Bür­ge­r:in­nen soll so eine Bringschuld des Staates werden.

Bislang müssen sich Familien selbst informieren, welche zusätzlichen Leistungen ihren Kindern zustehen. Viele wissen gar nicht, was ihnen zusteht. Das führt etwa dazu, dass aktuell nur rund 35 Prozent der Kinder, die Anspruch auf den Kinderzuschlag hätten, diesen erhalten. Auch vom Teilhabebetrag haben viele Familien nie gehört.

Aus der Holschuld der Bür­ge­r:in­nen soll eine Bringschuld des Staates werden

Die Erwerbstätigkeit der Eltern soll mit der Kindergrundsicherung ebenfalls gefördert werden. Der einkommensabhängige Zusatzbetrag soll zwar mit steigendem Einkommen sinken, jedoch langsamer als das Einkommen tatsächlich steigt. Aktuell bekommen 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche staatliche Sozialleistungen, davon mehr als die Hälfte (1,6 Millionen), obwohl die Eltern erwerbstätig sind.

Das Bündnis Kindergrundsicherung äußerte sich in einer ersten Reaktion wohlwollend zu den Vorschlägen. Verena Bentele vom Sozialverband VdK begrüßte es in einer Stellungnahme, „dass künftig das Wirrwarr familienpolitischer Leistungen gebündelt wird und als direkte Geldleistung an die Familien ausgezahlt werden soll“. Der Staat werde endlich in die Pflicht genommen, anspruchsberechtigte Familien direkt auf ihre Ansprüche hinzuweisen und die Beantragung zu automatisieren. „Allerdings muss für eine gerechte Kindergrundsicherung auch der Kinderfreibetrag konsequent einbezogen werden.“ Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, meinte, die Eckpunkte gingen in die richtige Richtung und böten die Chance auf einen Systemwechsel bei den Familienleistungen. „Im weiteren Prozess kommt es darauf an, die Höhe der Geldleistung so zu bemessen, dass sie Kinderarmut verhindert“, mahnte Hilgers.

Nicht ganz überraschend kommen aus den Ampelfraktionen ebenfalls erste positive Rückmeldungen. Der zuständige Berichterstatter der FDP-Fraktion, Martin Gassner-Herz, lobte am Donnerstag, das geplante Eckpunktepapier zeige, dass die Koalition eine zukunftsfähige und moderne Verwaltung beim Update der Sozialleistungen mitdenke. Die Vizefraktionsvorsitzende der Grünen, Maria Klein-Schmeink, mahnte: „Erfolgreich umsetzen werden wir die Kindergrundsicherung aber nur gemeinsam.“

Seit Mittwoch sind die Eckpunkte in der Ressortabstimmung. Ein gemeinsames Eckpunktepapier will die Ampel im Februar beschließen. Dieses wird die Grundlage für den Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung sein, der noch in diesem Jahr vorliegen soll. Ab 2025 sollen Kinder ihre neue Grund­sicherung erhalten.