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Rechte Erlebnisse

Auf der Videospielplattform Roblox bauen extreme Rechte Räume auf, in denen man rechte Attentate nachspielen kann. Selbst durch nationalsozialistische Vernichtungslager kann man sich bewegen. Die Betreiber können wenig tun

So sah das „Erlebnis“ unseres Autor bei der Simulation des Attentats auf die Synagoge in Halle aus Screenshot: Roblox

Von Mick Prinz

An der Supermarktkasse zu stehen, kann langwierig sein. Während darauf gewartet wird, endlich den eigenen Einkauf zu bezahlen, schweift der Blick durch die Kassenregale. Neben Süßigkeiten oder Zeitschriften wandert er auch über Guthabenkarten für verschiedene Streaming- und Videospielplattformen. Mit ­dabei: Geschenkkarten für Roblox.

Diese Videospielplattform ist seit 2006 online und erfreut sich einer zunehmenden Beliebtheit. Über 200 Millionen aktive Nut­ze­r*in­nen weist die Plattform monatlich auf. Der größte Teil kommt aus Kanada und den USA und ist zwischen 9–12 Jahren alt. Auch in Deutschland steigen die Zugriffszahlen.

Auf den ersten Blick erinnert Roblox an Spiele wie „Fortnite“ oder „Minecraft“. Also an bunte Comicwelten, in denen sich Spielende mit einem eigenen Avatar durch verschiedene Szenarien bewegen, Aufgaben lösen und sich in Gruppen zusammenschließen „können“. Roblox ist genau genommen aber kein Spiel. Es ist eine Plattform. Eine Oberfläche, in der eigene „Erlebnisse“ kreiert werden können. Roblox ist wie ein Werkzeugkasten, mit dem Use­r*in­nen eigene Spiele programmieren und bauen können und diese dann auf der Plattform anderen Spie­le­r*in­nen zur Verfügung stellen. Dabei werden die gängigen Spielegenres wie Plattformer, Shooter oder Rollenspiele abgedeckt, auch populäre Spiele wie „Call of Duty“ oder „Among Us“ sind auf Roblox nachgebaut. Besonders beliebt scheinen Kreationen wie die Lebenssimulation „Adopt Me!“, in der Tiere adoptiert und mit anderen getauscht werden können, während nebenbei das digitale Eigenheim aufgebaut wird.

Ebenfalls beliebt ist der Ort auf der Plattform, wo Spie­le­r*in­nen eine Pizzeria managen und damit Geld verdienen können, um ihr digitales Zuhause zu verschönern. Daneben gibt es zahlreiche „Erlebnisse“ mit lokalen Bezügen, wie „Notruf Hamburg“, in denen man Polizist*in, Kri­mi­nel­le*r oder Sa­ni­tä­te­r*in­ sein kann.

Durch eine eigene Währung, die sogenannten Robux, die mit Hilfe der Supermarktguthabenkarte aufgeladen wird, lassen sich für solche Erlebnisse besondere Inhalte freischalten. Außerdem kann dem eigenen Avatar ein schicker neuer Hut spendiert werden oder das Eigenheim bekommt einen hübschen neuen Fußboden. Vor allem für minderjährige Spie­le­r*in­nen kann das schnell zur unüberschaubaren Kostenfalle werden.

Sandkastenartige Plattformen wie Roblox, die auf das Mitwirken von Communitys ausgelegt sind und die Implementierung von eigenen Inhalten ermöglichen, sind ein gefundener Spielplatz für toxische und rechtsextreme Akteure. So mischen sich unter die über 24 Millionen spielbaren Erlebnisse bei Roblox auch frauenverachtende, rassistische und rechtsterroristische Kreationen. Beispielsweise zum Attentat in Buffalo. Im Mai 2022 hatte ein Rechtsextremist zehn Menschen aus rassistischer Motivation in einem „Tops“-Supermarkt umgebracht und dabei sein Attentat auf der bei Game­r*in­nen beliebten Plattform Twitch für wenige Minuten live gestreamt.

Auf Roblox gibt es zahlreiche Inhalte, die den Rechtsterroristen verherrlichen und das Attentat nachspielbar machen. So wird auf einer Karte der Attentäter und das nationalsozialistische Symbol „schwarze Sonne“ sowie der Schauplatz des Angriffs fast originalgetreu abgebildet. Die Darstellung der computergesteuerten Spielfiguren (NPCs) folgt dabei rassistischen Stereotypen.

Es ist eine klassische Strategie rechtsextremer Ak­teu­r*in­nen, auf Gaming­plattformen Inhalte für die eigene Zielgruppe zu erstellen

Auch andere Anschläge wie Christchurch oder Halle sind auf der Plattform auffindbar. Bei einem solchen Erlebnis zum Halle-Attentat sind viele Details aus dem 30-minütigen Livestream implementiert. Der Eingang der Synagoge ist klar zu erkennen und Waffen sowie Brandsätze, die während des Anschlags verwendet wurden, sind Teil des usergenerierten Inhalts. Sogar Betroffene des rechtsterroristischen Anschlags werden verhöhnt und sind im Spiel abgebildet.

Der rechtsextreme Sandkasten umfasst neben der Glorifizierung von Rechtsterrorismus noch weitere Themen, die auf das breite Repertoire extrem rechter Ideologiebausteine aufbaut. So gibt es auch solche Erlebnisse, in denen der eigene Avatar durch Vernichtungslager bewegt wird und dabei Gaskammern betreten kann. Kritische Einordnung? Fehlanzeige. Dafür wird in vielen Kreationen der Nationalsozialismus mit abgebildeten Siegrunen und Reichsflaggen glorifiziert. Auch misogyne und antifeministische Narrative finden sich in Roblox wieder. Zum Beispiel dann, wenn der eigene Avatar vor wütenden „Feministinnen“ fliehen muss, indem er über die Leichen von männlichen Figuren hüpft.

Die Namen der entsprechenden Erlebnisse werden meist so benannt, dass sie von Moderations- und Rechercheteams nicht leicht zu finden sind. Durch Leetspeak, also das Ersetzen von Buchstaben durch ähnlich aussehende Ziffern und Sonderzeichen, werden Wortfilter umgangen und rechtsterroristische Inhalte bleiben auf der Plattform bestehen. Die Er­stel­le­r*in­nen scheinen bewusst kein breites Publikum erreichen zu wollen, sondern primär für die eigene rechte Blase zu produzieren.

So erlebte unser Autor die Simulation des Attentats von Buffalo Screenshot: Roblox

Das unterstreicht auch eine häufig aktivierte Funktion, welche nur Profilen, die schon älter als zwei Monate sind, den Zugriff zu diesen Erlebnissen erlaubt. Auch damit wird es Rechercheteams schwieriger gemacht, extrem rechten Content auf der Plattform zu identifizieren. Primär sind es diese Erlebnisse von Neonazis für Neonazis.

Trotz einer überschaubaren Reichweite – die Klickzahlen sind insgesamt eher niedrig – sind die Erlebnisse auf Roblox ein Problem. Es ist eine klassische Strategie von rechtsextremen Ak­teu­r*in­nen, auf Gamingplattformen Inhalte zu erstellen, die primär für die eigene Zielgruppe konzeptioniert werden. Dahinter versteckt sich die Idee, Orte zu erschaffen, in denen sich extrem rechte Gruppen und Profile ohne viel Gegenwehr bewegen, austauschen und vernetzen können. Diese Strategie fällt auch auf anderen Gamingplattformen, wie Steam oder Discord immer wieder auf. So gibt es auf der Vertriebsplattform Steam, die auch viele Funktionen eines klassischen sozialen Netzwerkes aufweist, zahlreiche Wehrmachtsfan-Gruppen oder rechtsextreme Strukturen, die auf anderen Plattformen längst ausgeschlossen wären. In diesen Gruppen werden dann rechtsterroristische Manifeste geteilt, Narrative über einen angeblichen Bevölkerungsaustausch verbreitet oder zum digitalen Hasssturm gegen klassische Feindbilder aufgerufen. Obwohl Rechtsextreme und ihre Inhalte im Gaming eine Minderheit darstellen, sind sie für jene Leute ein Problem, die Anfeindungen und Bedrohungsszenarien häufig schutzlos ausgeliefert sind.

Es sind immer noch viel zu viele Vi­deo­spie­le­r*in­nen, die wegschauen, wenn Menschen in Spielechats sexistisch, rassistisch oder ableistisch beleidigt werden. Melde- und Reportfunktionen auch hier konsequenter zu nutzen, ist hilfreich, um toxische Strukturen auszubremsen. Roblox hat zwar klare Richtlinien, die explizit terroristische und rechtsextreme Inhalte verbieten, allerdings setzt die Moderation diese augenscheinlich nicht proaktiv um. Wenn allerdings ein „Erlebnis“ von Spie­le­r*in­nen gemeldet wird, scheint es erst einmal von der Plattform zu verschwinden und wird vom Roblox-Team untersucht. Ein wichtiger Schritt! Dass trotz dieser Maßnahmen unzählige rechtsterroristische und extrem rechte Kreationen auf der Plattform herumgeistern, macht deutlich, dass es proaktiviere Maßnahmen von Videospielplattformen geben muss.

Mick Prinz leitet das Projekt „Good Gaming – Well Played Democracy“ in der Amadeu Antonio Stiftung.

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