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berliner szenenUngestört sich selbst bespiegeln

Die Pferde stehen in kleinen Gruppen zusammen, als würden sie sich beraten. Es geht in ihren Gesprächen möglicherweise um die Verkleinerung der Weide wegen eines Golfplatzes und den Wechsel des Futteranbieters. Die Sonne geht hier an der immer gleichen Stelle unter. Das werden die Pferde nicht ändern, und wenn sie das blonde Pferdemädchen entführen. Es hat Zöpfe, dick wie Arme. Das ist in etwa die Sachlage, als wir die Weide umrunden.

Vielleicht hat der Grad der Verwahrlosung in den letzten Wochen insgesamt zugenommen. Eins der Ponys trägt eine viel zu große Winter­decke. Immer wieder jagt es wie vom Hafer gestochen los und versucht sich mit Bocksprüngen von der störenden Decke zu befreien.

Der Fernsehturm steht wie eine Kompassnadel am Horizont, und Berlin scheint sehr weit weg. M. sagt, der wahre Grund, warum Onlinekonferenzen so beliebt seien, sei, dass sich alle auf die Art unbeobachtet permanent selbst bespiegeln könnten. Es sei, als würde man dauernd einen Taschenspiegel vor sich hertragen.

Einmal in ihrem Leben, sagt sie, sei sie am Weißensee einem echten Narzissten begegnet. Er habe mit dem Rücken zum Wasser inmitten der Badegäste gestanden und sich mit einer solchen Selbstverliebtheit und Selbstvergessenheit in einem Handspiegel betrachtet, dass man hätte neidisch werden können.

Spätestens nach 30 Minuten sei es für die anderen Badegäste aber nur noch quälend gewesen, ihm zuzusehen. Ihr sei sofort der Narziss-Schlumpf aus ihrer Kindheit eingefallen. Dass die Schlümpfe alle nahezu identisch aussähen, mache die Existenz dieses Schlumpfes für sie aus heutiger Sicht zu einem interessanten soziologischen Claim. Darüber habe sie als Kind natürlich nicht nachgedacht.

Sascha Josuweit

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