Der Straßen(wahl)kampf geht weiter

Der zentrale Teil der Friedrichstraße ist ab Montag wieder Fußgängerzone: Mit dieser Ankündigung erzürnt Verkehrssenatorin Bettina Jarasch die Regierende Bürgermeisterin. Jarasch dürfte dieser Streit gelegen kommen

Ab Montag ist dieser Teil der Friedrichstraße wieder für Autos gesperrt Foto: Carsten Koall/dpa

Von Bert Schulz

Die Friedrichstraße ist dort, wo all die schicken Läden liegen, eine der langweiligeren Straßen Berlins. Trotzdem ist sie umstritten, sogar ähnlich stark wie die A100. Denn: Dieses zentrale Stück der Nord-Süd-Achse im Bezirk Mitte wird ab Montag wieder zur Fußgängerzone. Und wahrscheinlich ist es Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) ganz recht, dass die Straße in den Schlagzeilen bleibt, ihre Umgestaltung Widerspruch provoziert und damit die grüne Senatorin ein Stück weit bekannter macht – nicht nur jetzt im Wahlkampf. Die ersten wütenden Reaktionen von Jaraschs Konkurrentin, der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), kamen dann auch prompt.

Aber der Reihe nach. Am Mittwoch hat Jarasch ihre Pläne vorgestellt, zusammen mit Baustadträtin Almut Neumann (Grüne). Das Zeichen: Bezirk und Land arbeiten eng zusammen, wenn es darum geht, die historische Mitte fuß­gän­ge­r*in­nen­freund­li­cher zu gestalten. Das ist das erklärte Ziel der Senatorin, und daher wird das Stück zwischen Französischer Straße und Leipziger Straße komplett und dauerhaft für den Autoverkehr gesperrt. „Damit kann und wird es eine deutliche Steigerung der Aufenthaltsqualität geben: bessere Luft, weniger Unfälle, mehr Raum für Fußgänger“, begründete Jarasch, die eben auch grüne Spitzenkandiatin für die Wahl ist, den Umbau.

Andere Orte in Mitte – vom Checkpoint Charlie über den Boulevard Unter den Linden bis hin zum Molkenmarkt – sollen perspektivisch ähnlich entwickelt werden. Jarasch sieht sich hier auch unter globalem Druck: Die Friedrichstraße werde eine „Einkaufs- und Verweilstraße auf dem Niveau anderer Weltmetropolen“; New York, Paris, Brüssel würden ihre Innenstädte ähnlich umgestalten.

Für Autos ist die Friedrichstraße in dem Teilstück nun tabu, auch die Parkplätze entfallen. Lieferverkehr kann die Fußgängerzone immerhin kreuzen. Rad­le­r*in­nen dürfen, wenn sie nicht die parallele Radstraße nutzen wollen, dort weiterhin fahren, allerdings nur in Schrittgeschwindigkeit. „Wenn das nicht funktioniert, müssen wir nachsteuern“, machte Jarasch klar und fügte hinzu: „Wir haben aus dem Verkehrsversuch gelernt. Der Radschnellweg war keine so gute Idee.“

Denn autofrei war die Friedrichstraße ja schon mal: Bereits Jaraschs glücklose Vorgängerin, Verkehrssenatorin Regine Günther, hatte hier ihre grüne Vision von Stadtumbau präsentiert. Sie sperrte dasselbe Teilstück im August 2020 für Autos – und alle Grünen luden ab da zu Pressegesprächen sehr gern in Cafés in die Straße ein, vor denen man nun auch draußen sitzen konnte.

Doch der erhoffte Aufschwung der in Teilen exklusiven Kaufmeile mit mehreren Edelkaufhäusern blieb trotz hölzerner Straßenmöbel aus, was sicher zum Teil mit der Pandemie zu tun hatte. Aber eben nicht nur: Viel kritisiert wurde der Radweg, andere monierten die Baustellenatmosphäre durch die temporären Absperrungen und die bisweilen verloren wirkenden Schaukästen.

Nächste Woche Am Montag beginnen einwöchige Bauarbeiten, etwa um Sitzgelegenheiten aufzustellen, die im Sommer begrünt werden. Dann soll es auch Kulturveranstaltungen geben, etwa ein Straßenfest.

Die nächsten Jahre Mit den Anlieger*innen soll ein Gesamtkonzept erarbeitet werden. Perspektivisch will Jarasch „Friedrichstraße und Gendarmenmarkt zu einem gemeinsamen Raum verbinden“. (taz)

Spektakulär hingegen dann das – vorübergehende – Ende der Sperrung im November: Nach Klagen von An­lie­ge­r*in­nen musste die Straße wieder freigegeben werden für Autos, denn der Verkehrsversuch war zwar bereits im Herbst 2021 vorbei, die Sperrung aber nicht aufgehoben worden.

Die erfolgreiche Klage markierte auch den Anfang des Wahlkampfs – Wochen bevor das Berliner Verfassungsgericht die Wahl von 2021 offiziell für ungültig erklärt hatte. Denn als Reaktion auf das Friedrichstraßen-Urteil hatte die Regierende von ihrer Verkehrssenatorin gefordert, das Urteil schnell umzusetzen, und zudem Jarasch öffentlich Inkompetenz unterstellt. Jarasch konterte, Giffey habe wohl nicht verstanden, worum es bei dem Urteil ging.

Sie nutzte die Zeit, um die Umwidmung der Friedrichstraße gründlich und rechtssicher vorzubereiten, wie sie am Mittwoch sagte. „Klagen gegen die Fußgängerzone sind weiterhin möglich, aber sie haben keine aufschiebende Wirkung“, so die Senatorin.

Rad­le­r*in­nen dürfen dort weiterhin fahren, aber nur im Schritttempo

Ohne Aufschub hingegen kam die erneute harsche Kritik von Franziska Giffey. „Diese Aktion ist nicht im Senat abgestimmt. Ich halte diesen Alleingang auch nicht für durchdacht“, erklärte sie am Mittwoch, erstaunlicherweise nicht in ihrer Funktion als SPD-Spitzenkandidatin, sondern explizit als Regierende Bürgermeisterin.

Auch die Vereinigung der Unternehmensverbände sah wenig Positives: „Die Verkehrsverwaltung setzt weiter auf schlichte Symbole statt auf kluge Konzepte. 500 Meter Straße zu sperren bringt die Verkehrspolitik kein Stück voran“, sagte ihr Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck.

Jarasch wies die Kritik zurück: Sie habe nur umgesetzt, was sie im November bereits angekündigt habe. Die Lösung für den gesamten Bereich einschließlich Gendarmenmarkt werde nun in Zusammenarbeit mit den An­lie­ge­r*in­nen erarbeitet; dafür wurde ein externes Planungsbüro beauftragt, das bereits Kontakte vor Ort aufgebaut habe.

Rückendeckung in der Debatte bekam Jarasch von Linksparteichefin Katina Schubert: „Es war immer klar, dass die Friedrichstraße an dem Punkt Fußgängerzone werden sollte, und es war auch klar kommuniziert, dass es kommen wird“, sagte Schubert der dpa. „Diese Aufregung, die jetzt darum gemacht wird, ist deswegen auch Wahlkampfgeklingel.“