: Wieland macht das Rennen
Mit großer Mehrheit wählen die Grünen Wolfgang Wieland auf den aussichtsreichen Listenplatz 2 für die Bundestagswahl. Marek Dutschke fällt durch. Renate Künast wird wieder Spitzenkandidatin
VON MATTHIAS LOHRE
Wolfgang Wieland hat sich im Kampf um den sicheren Landeslistenplatz 2 der Berliner Grünen mit deutlicher Mehrheit durchgesetzt. Bei der Mitgliederversammlung stimmten gestern 516 Wahlberechtigte für den Exjustizsenator (64,3 Prozent). Seine beiden Konkurrenten lagen weit zurück. Der Bundestagsabgeordnete Werner Schulz vereinigte 169 Stimmen auf sich, der 25-jährige Marek Dutschke 104. Beide scheiterten auch bei der Wahl zu Listenplatz 4. Gegen Schulz und Dutschke setzte sich im zweiten Wahlgang das Abgeordnetenhausmitglied Özcan Mutlu mit 348 von 586 Stimmen durch.
Unangefochten führt Renate Künast wie 2002 die Hauptstadt-Grünen in den Wahlkampf. Die Verbraucherschutzministerin erhielt 674 von 763 gültigen Stimmen (88,3 Prozent). Ohne Gegenkandidatin kam Sibyll Klotz mit 85,4 Prozent auf Listenplatz 3. Die Berliner Grünen sind derzeit mit vier Abgeordneten im Bundestag vertreten.
Während die Zustimmung zu den Bewerbungen von Klotz und Künast unumstritten war, brachte beim Listenplatz 2 erst die Verkündung des Wahlergebnisses Sicherheit. Das deutliche Votum für den langjährigen Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, Wolfgang Wieland, war daher umso erstaunlicher.
Als einziger Bewerber ging Wieland in seiner Wahlrede auf die Visa-Affäre ein. Zwar sei die Ursache der Affäre nur eine kleine Verfehlung im Auswärtigen Amt gewesen, die Aufklärung der Affäre aber sei mangelhaft gewesen. Den heftigsten Applaus erntete der 57-Jährige mit seiner Aussage: „Für Minderheitenrechte trete ich auch an, wenn ich in der Mehrheit bin.“ Ein deutlicher Seitenhieb auf Parteifreunde, die die Grünen in der wahrscheinlichen Opposition umbauen wollen. Anders als 2002 konnte Werner Schulz die Anwesenden nicht mehr durch eine furiose Rede für sich einnehmen. Wortspiele wie das von der „Gerdchenfrage am 1. Juli“ setzten sich gestern nicht mehr in Stimmen um. Marek Dutschke, Sohn des 1979 gestorbenen Rudi Dutschke, bezeichnete sich in seiner Rede selbst als „Außenseiter“. Der Politologe hatte sich erst vor wenigen Wochen für eine Kandidatur entschieden, ohne Absprache mit dem Landesvorstand. Die Verärgerung der Basis fasste Irmgard Franke-Dressler aus Steglitz-Zehlendorf in der Frage zusammen: „Warum soll dein Marsch durch die Institutionen ganz oben anfangen?“ Dutschkes Antwort, die Grünen seien auch eine Heimat für Menschen ohne „Parteilaufbahn“, verhallte bei der Mehrheit. Auch seine Kandidatur um Platz 4 scheiterte wenig später.
So unterschiedlich die KandidatInnen sich auch gaben: Die Grünen-Mitglieder im vollbesetzten Saal der Urania hörten Wahlkampfreden, die schon die Marschrichtung der Grünen in den kommenden drei Monaten anzeigten. Künast sprach von der „sozialen Kälte“ und „Neoliberalität“ unter Schwarz-Gelb und gab für die Grünen den Slogan „Freiheit mit sozialer Sicherheit“ aus. Die Bundesvorsitzende Claudia Roth sagte: „Es geht um den Wert von Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Solidarität.“ Die Grünen hätten mit der Reform des Staatsbürgerrechts und der Einführung neuer Formen der Lebensgemeinschaften große politische Erfolge gehabt. Zeitlos gültig war Roths Satz: „Wir sind modern, was die Modernisierung angeht.“
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