piwik no script img

Archiv-Artikel

Ich brauche meinen Verlag!

COPYRIGHT 2012 Im Theater Aufbau Kreuzberg gab es eine Podiumsdiskussion zur Urheberrechtsdebatte mit Künstlern und Kreativen. Die zeigten sich mal ratlos, mal kompromissbereit oder fest entschlossen im Kampf um das geistige Eigentum

Im Netz ist man oft Produzent und Rezipient zugleich

Bei wem liegt eigentlich das Urheberrecht für das Wort „Urheberrecht“? Gäbe es so jemanden, er hätte in den vergangenen Monaten reichlich Ausschüttungen von den Verwertungsgesellschaften erhalten, so allgegenwärtig war die Debatte in den Foren und in den Medien. Dabei nervte die öffentliche Diskussion schon lange, bevor sie überhaupt richtig begann. So entstand ein diffuser Streit um „Die schmarotzenden User vs. die Urheber“, ohne dass der Verhandlungsgegenstand geklärt war.

Bei einer Podiumsdiskussion im Theater Aufbau Kreuzberg (TAK) am Montag mit der kulturpolitischen Sprecherin der Grünen, Agnes Krumwiede, Regisseur Züli Aladag und Krimiautorin Nina George, die auch die Initiative „JA zum Urheberrecht“ ins Leben gerufen hat, sollte die Frage geklärt werden, wie man der Realität des Filesharings und Streamings im Netz begegnen kann – wie „Copyright 2012“, so der Titel der Veranstaltung, aussehen könnte. Mögliche Reformen und Ersatzmodelle für das Urheberrecht – etwa die Kulturflatrate oder die Kulturwertmark – wurden ebenfalls diskutiert.

Eine gangbare Lösung, das zeigte sich auch an diesem Abend, wird nur möglich sein, wenn alle Beteiligten, vom Künstler über Verwertungsgesellschaften bis hin zu Streaming- oder Fileshare-Anbietern im Netz, ihre Position im Diskurs bedenken. Es geht um eine Wertedebatte: Was für ein Internet wollen wir? Die Debatte schürte auch deshalb so heftige Emotionen, weil viele der Beteiligten Personen aus beiden „Lagern“ kannten: Im Netz ist man oft Produzent und Rezipient zugleich.

Wie geht es weiter mit dem Urheberrecht? Den Alternativmodellen der uneingeschränkten Nutzung von Kulturgütern gegen Gebühr erteilten Nina George und Mario Rehse, Rechtsschutz des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), eine Absage. „Das ist das falsche Signal“, so Rehse, „man nimmt dem Künstler damit sein wichtigstes Recht, selbst darüber zu entscheiden, was er wann zu welchem Preis anbieten will.“ Rehse setzte sich für ein marktwirtschaftliches Modell der Nutzung von Kulturgütern im Netz ein. Dass das hingegen auch mit festen Beiträgen gehen könnte, hatte der Chaos Computer Club (CCC) mit seinem Vorschlag der Kulturwertmark gezeigt, bei der eine pauschale Abgabe auf die Lieblingskünstler der Nutzer umverteilt wird.

„Finger weg vom Urheberrecht“, so schloss die Autorin und Journalistin Nina George nach ihrem wortgewaltigen und angenehm klaren Beitrag. Sie rechnete vor, dass sie je nach verkaufter Anzahl der Bücher zwischen sieben und zehn Prozent des Ladenpreises von 8,99 Euro bekomme. Zwar ließ sie – wie auch Aladag und der auch geladene Filmmusikkomponist Ulrich Reuter – durchblicken, wie viel finanzielle Jonglage ihr berufliches Dasein ohnehin schon erfordere, doch gejammert wurde nicht. „Wir wollen das so“, sagte George, „wir haben uns freiwillig und gerne dafür entschieden.“

Adäquate Wertschätzung erführen Künstler und Autoren nur beim Fortbestand des Urheberrechts, so George. Sie verwies darauf, wie wichtig alle an der Buchproduktion beteiligten Branchen seien. Damit griff sie die Sorge der Künstler auf, mit pauschalen Zahlsystemen im Netz würden die „alten“ Produktions- und Vertriebsstrukturen gefressen. „Ich brauche meinen Lektor! Ich brauche meinen PR-Manager! Ich brauche meinen Verlag!“, sagte George. Die Professionalität der Beteiligten, vom Autor bis zum Umschlaggestalter, habe ihren Preis.

Am Ende des Abends waren sich die Versammelten weitestgehend einig, dass das Urheberrecht erhalten bleiben oder vorsichtig reformiert werden müsse. Die einen waren eher ratlos (Aladag), weil der bisherige Weg nicht zur (technischen) Realität des Netzes passen wollte, die anderen (George) fest entschlossen, für das Urheberrecht zu kämpfen. Zur Durchsetzung bliebe, so Rehse, nur der gängige rechtliche Weg: Kann der Urheber eine Verletzung des Urheberrechts nachweisen, so darf er über den Provider an die Daten desjenigen kommen, der sein Werk ins Netz gestellt hat. Das würde vielleicht aber auch den Fortbestand der Abmahnindustrie bedeuten.

Bei der Debatte kam eine Realität des Netzes zu kurz: Nach einer Umfrage von 2011 sind 61 Prozent der Nutzer in Deutschland bereit, Beiträge zu zahlen. Eine Reformierung des Urheberrechts wäre auch im Hinblick auf dieses Datum zu prüfen.