: 48 Kartons voller Entwürfe und Notizen
Notizbuch: Thomas Pynchon gibt sein Archiv an die Huntington-Bibliothek in Kalifornien
Eine Nachricht wie aus einem Paralleluniversum, in dem alles gut ist und in irgendwie geordneten Bahnen verläuft, wie man sie also niemals mit den Romanen dieses Autors in Verbindung bringen würde: Thomas Pynchon hat sein Archiv verkauft. An die Huntington-Bibliothek in San Marino, Kalifornien. Und unter gewissen Umständen könnte man sogar die Möglichkeit bekommen, es sich anzusehen. Was bei den allermeisten Schriftstellern Business us usual ist, löst bei diesem Autor erst einmal Verwunderung aus – schließlich gehört es zu den tiefen Spielregeln des Literaturbetriebs, seine Bücher zu lesen, ihm aber als Person nicht zu nahe kommen zu wollen – und, na ja, auch Gänsehaut.
Die Huntington-Bibliothek hängt mit einem Museum und einem Botanischen Garten zusammen und ist eine breit aufgestellte Kulturinstitution, die man sich als paradiesischen Ort vorstellen kann, teilweise nicht ganz von dieser Welt, also wieder: jedenfalls ganz anders als das Kalifornien der Hippiekommunen, kaputten Surferklischees und Film-noir-Reminiszenzen, die man aus Pynchons Romanen kennen kann. Inmitten blühender Gärten (83.000 Pflanzen, teilweise selten) steht ein mit Säulen bewehrter Gebäudekomplex voller Bilder, Fotografien und Bücher (einer Gutenberg-Bibel beispielsweise oder handschriftlicher Entwürfe von Thoreaus „Walden“), in den nun also 48 Kartons mit Typoskripten, Entwürfen und Notizen Pynchons integriert werden, insgesamt 25 laufende Archivmeter, darunter umfangreiches Recherchematerial über die Raketentechnik im Zweiten Weltkrieg, die Geschichte des Postwesens und die Methoden der Landvermessung im 18. Jahrhundert. Über all das hat Pynchon ja geschrieben.
Ein Statement von Thomas Pynchon gibt es natürlich nicht, von seinem Sohn Jackson Pynchon, der sich offenbar um das Archiv seines Vaters kümmert, aber schon. Als Gründe, es an die Huntington-Bibliothek zu geben, nennt er die umfangreichen Karten-, Mathematik- und Luftfahrtsammlungen der Institution sowie die vielfältigen Forschungsmöglichkeiten, die sie bietet. Darunter gibt es nun also auch die Möglichkeit, in Pynchon-Originalmanuskripten zu lesen. Als Bearbeitungszeitraum einer Bewerbung dazu muss man, wie das Huntington anmerkt, mit einem Jahr rechnen.
Dirk Knipphals
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen