: „Ich bin ein Tiger“
KUNSTFIGUREN Horst Schlämmer über die berechtigten Erwartungen von Schwulen und Lesben nach einem Sieg der HSP bei der Bundestagswahl
■ Manche sagen, Horst Schlämmer gäbe es gar nicht, der stellvertretende Chefredakteur des ebenfalls fiktiven Grevenbroicher Tagblattes sei vielmehr eine reine Erfindung des schwulen Komikers und Entertainers Hape Kerkeling. Das ist natürlich Quatsch, sonst könnte mit Horst Schlämmer, dem Spitzenkandidaten der Horst Schlämmer Partei (HSP), Markenzeichen Herrenhandtasche, ja gar kein Interview geführt werden. www.hapekerkeling.de
INTERVIEW STEFAN MEY
taz: Herr Schlämmer, die politische Ausrichtung der HSP umreißen Sie mit: „Wir sind konservativ, wir sind links, wir sind liberal.“ Was kann die Wählergruppe der Schwulen und Lesben von einem Bundeskanzler Horst Schlämmer erwarten?
Horst Schlämmer: Viel. Schauen Sie, im Prinzip ist doch ganz Deutschland politisch irgendwo in der Mitte. Und noch mehr Mitte als mit der Horst-Schlämmer-Partei gibt’s gar nicht. Uns ist alles Radikale fremd. Damit geht’s schon mal los. Besonders die homosexuellen Mitbewohner und Mitbewohnerinnen dieses Landes können sich eine Menge versprechen, denn neu im HSP-Programm, ganz neu, ist Gleichberechtigung. Generell.
Generell?
Für alle. In wirklich jeder Beziehung. Mehr muss ich dazu nicht sagen.
Ein etwas kritischer Punkt im Wahlprogramm ist die neue Bundeshauptstadt: Ihre Heimat Grevenbroich, ein verschlafenes, Union-regiertes 65.000-Seelen-Nest irgendwo zwischen Köln und Düsseldorf. Was können wir uns von der neuen Hauptstadt versprechen?
Also erst einmal ist das eine schöne Stadt. Mit Herz. Und Sie dürfen eines nicht vergessen: Wenn 10 Prozent der Bevölkerung schwul oder lesbisch sind, kannste in Grevenbroich von mindestens 6.500, ich sach mal, vom anderen Ufer ausgehen.
Wenn Grevenbroich Hauptstadt wird, muss es natürlich auch einen CSD geben. Können wir mit einem Schirmherrn Horst Schlämmer rechnen?Ja, auf jedem Fall. Aber bei aller Offenheit, solche modischen Entgleisungen, wie da manchmal passieren, nein, da mach ich nicht mit. Dass ich mich in ein Lederkostüm mit Puscheln werfe, das kann niemand erwarten.
Das würde Ihnen eh nicht stehen. Ihr Stil ist traditionell: Trenchcoat, Minipli und Herrenhandtasche. Glauben Sie, dass Sie anders aussehen würden, wenn Sie schwul wären?
Ich würde wahrscheinlich nicht mit meiner Herrenhandtasche herumlaufen. Das wäre das erste Accessoire, das verschwinden würde. Mich halten deswegen absurderweise viele für schwul. Aber ich hab noch nie einen Schwulen damit gesehen. Ich hätte da vielleicht so einen Umschnallgürtel, haben die doch alle.
Ist die Herrenhandtasche Ihr Erfolgsgeheimnis bei Frauen?Das Geheimnis ist das Gesamtpaket. Sie sehen ja, ich bin durchgestylt. Da stimmt alles.
Finden Sie sich selbst sexy?
Absolut. Ich bin ein Tiger. Jetzt werden Sie mich fragen: Was macht einen Mann zum Tiger? Ich sag’s Ihnen: seine Willenskraft einerseits, dann dieses durchaus Animalische und natürlich ein tiefes Timbre. Ich meine fast, das wär bei mir eine Hormonstörung, aber wie auch immer. Es kommt gleichermaßen gut an, bei Männern auch, aber vor allem bei Frauen.
Über Ihr Verhältnis zur Damenwelt wird viel spekuliert. Sie galten lange Zeit als ewiger Single, aber es gab auch immer wieder Gerüchte über eine Daueraffäre mit der Schlagersängerin Uschi Blum. In Ihrem Wahlkampffilm präsentieren Sie plötzlich die Schauspielerin Alexandra Kamp als First Lady in spe. Wem gehört denn nun das Herz von Horst Schlämmer?
Die Frauenzimmer und Horst Schlämmer, das ist eine Geschichte für sich. Ich bin jemand, der sagt, Vielfalt statt Einfalt, wenn du weißt, was ich meine. Aber wenn du so ein Alter erreichst wie ich, kannste nicht mehr groß wählen. Ich will jetzt nicht sagen, da musste nehmen, was du kriegst, aber darauf läuft’s hinaus. Da hab ich Glück gehabt mit der Alexandra Kamp, die ist ein Feger.
Wie kann man sich den Liebhaber Schlämmer vorstellen, feurig-romantisch, kuschelig, oder gibt es Zärtlichkeiten nur der Frau zuliebe?Im besten Sinne kann eine Frau mit mir zusammen schlafen. Viel schlafen. Also ich meine konkret schlafen.
Aber ein bisschen mehr als schlafen bieten Sie schon, oder?
Sie gehen mir da jetzt unterhalb … Sie gehen da in einen Bereich, der ist der Intimbereich.
Da wird es doch erst spannend. Heute sind Sie bekennender Hetero, wie war das, als Sie jung waren: Gab es Experimentierphasen? Gab es auch mal einen Adler zum jungen Horst?Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube. Ich will es mal so sagen, es ist mir nicht fremd. Ich hatte homoerotische Empfindungen.
In der Pubertät?
Als ich etwa 30 Jahre alt war, also noch in der Blüte meiner Jahre. Da … (stottert) … also da war was. Ähmm. Jetzt haben Sie mich eiskalt erwischt. Ham Se nich ’ne andere Frage?
Dann kommen wir erst mal zu einer weiteren Wahlforderung: Deutschland muss schöner werden. Reden wir über den Istzustand: Wen finden Sie in der heutigen Politik sexy? Angie, von der Leyen, Pofalla?
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, der Obama mit seiner Frau im Doppelpack, das ist schon nicht unsexy. Aber in Deutschland? Ich finde, dass die Merkel, wenn die so lächelt und die Sonne im Bundeskanzleramt auf ihr Gesicht fällt und sie ihre Reden hält, also man kann ihr nicht widerstehen. Wer das sacht, lücht. Das ist eigentlich ’ne charmante Frau. Und der Pofalla, sicher, der ist ein Knaller.
Jetzt muss es noch mal sein: Es gab also einmal einen Mann in Ihrem Leben …
Ja, aber dat war, dat war befremdlich. Und schön. Aber befremdlich.
Befremdlich?
Ich möchte das so stehen lassen.
Wie lange hielt das?
Es war im schönen Grevenbroich. Und es ging ziemlich lange.
Sind Sie Händchen haltend durch Grevenbroich gegangen?
Nein, so weit ging’s nicht. Ich sag zwar manchmal im Spaß, Grevenbroich ist das San Francisco des Rheinlands, aber eigentlich sind hier alle noch ziemlich verklemmt.
Mit Ihnen als CSD-Schirmherrn wird sich das hoffentlich ändern.
Das will ich meinen. Als Rheinländer ist mir der CSD sehr nahe, sowohl inhaltlich als auch von seiner Machart her. Find ich schön. Man sollte sogar überlegen, ob der CSD nicht Staatsfeiertag wird. Das ist so ein Gedanke von mir. Ob sich das durchsetzen lässt, ist eine andere Frage.
Mit wem würden Sie koalieren?
Die Partei, mit der wir diese Kollision machen wollen, sind die Grünen. Das wär dann die Fango-Koalition, grün-ocker, mit Claudia Roth als Außenministerin.
Die grüne Schwulenmutti?
Wenn Sie die so nennen, ja. Macher mer uns nix vor, der Horst und die Claudia, dat wär was.
■ Das Interview entnehmen wir der Septemberausgabe der Zeitschrift Männer, Bruno Gmünder Verlag, Berlin