: Mafia ist längst in der Toskana
Organisierte Kriminalität ist in Berlin auf dem Rückmarsch. Wo sie floriert, ist sie überwiegend in deutscher Hand. Die Ermittler fahnden vor allem nach Drogenhändlern und Finanzbetrügern
VON MATTHIAS LOHRE
Mit dem gegenseitigen Lob wollten sie schier nicht aufhören. Als Justizsenatorin Karin Schubert und ihr Kollege vom Innenressort, Ehrhart Körting (beide SPD), gestern über die Lage der organisierten Kriminalität (OK) in Berlin im Jahr 2004 berichteten, lautete ihre frohe Botschaft: Die organisierte Kriminalität in der Hauptstadt ist weiter zurückgegangen, „mafiaähnliche Netze“ gebe es in Berlin nicht. Das liege an der guten Kooperation von Innen- und Justizverwaltung, Polizei und Staatsanwaltschaft.
Seit dem Jahr 2000 verzeichnen die Berliner Behören immer weniger so genannte Ermittlungskomplexe – damit liegt die Hauptstadt im bundesweiten Trend. Die zu ermittelnden Komplexe gingen in Berlin von 92 im Jahr 2003 auf 84 Komplexe in 2004 zurück. Hinter einem „Komplex“ verbergen sich im Durchschnitt 20 bis 40 zusammengehörige Einzelstraftaten, „insgesamt also 3.000 bis 4.000“, sagte Körting.
Von den im Jahr 2004 neu erfassten 655 Tatverdächtigen hatten 217 einen deutschen Pass (33,1 Prozent). Gefolgt von Tatverdächtigen aus Kamerun (18,04 Prozent), Türken (11,64 Prozent), Litauer (8,22 Prozent) und Vietnamesen (7,76 Prozent) etc. Mit Blick auf die umstrittene Visa-Praxis der deutschen Botschaft in Kiew sagte der Innensenator sichtlich zufrieden: „In der organisierten Kriminalität spielen die Ukrainer bei uns nur eine untergeordnete Rolle.“ Von dort stammten nur 1,6 Prozent der Verdächtigen.
Brennpunkt der hiesigen OK ist der Rauschgifthandel und -schmuggel. Mehr als ein Viertel aller Delikte fallen in diesen Bereich. Zu den Tatverdächtigen zählten hier vor allem Deutsche und Türken. Mehr als 18 Prozent der Straftaten gehörten zur von Deutschen dominierten Eigentumskriminalität, vorneweg die Kfz-Verschiebung nach Osteuropa, Marokko und Syrien.
Bei organisierter Wirtschaftskriminalität – vor allem Konto-, Scheck- und Kreditkartenbetrug – dominieren Kameruner und Deutsche mit je 20 Prozent den Markt. Mit 25 Millionen Euro Schaden war dieser Kriminalitätsbereich laut Polizeipräsident Dieter Glietsch der profitabelste. Bei der Schleuserkriminalität machten die überwiegend deutschen Verdächtigen insgesamt einen Gewinn von 5,6 Millionen Euro. Auch bei Fälschungen von Kreditkarten, Ausweispapieren, Visen und Euro-Geldscheinen wurden vor allen deutsche Staatsbürger verdächtigt (36 Prozent), gefolgt von Nigerianern (20 Prozent). Unterm Strich schätzen Körting und Schubert die Gewinne aus organisierter Kriminalität auf mehr als 33 Millionen Euro.
Das großzügig verteilte Lob gaben die beiden Politiker auch an die Berliner Gerichte und Polizei weiter: „Mehr als die Hälfte der neuen Ermittlungsfälle in 2004 wurden auch in 2004 abgeschlossen“, sagte Justizsenatorin Schubert mit Blick auf ihren Sitznachbarn, Oberstaatsanwalt Ralf Rother. Mehr als Lob gab’s dann auch nicht. Neues Personal, sagte Innensenator Körting, werde es für Polizei und Gerichte jedenfalls nicht geben.