: Freudenfreude
Die New York Times hat uns vergangene Woche mehr als bloß Freude beschert. Sie hat „Freudenfreude“ verbreitet. Ein deutsches Wort, das es im Deutschen gar nicht gibt, also ungefähr wie „Handy“, nur umgekehrt. Es beschreibt, so die NYT, „das Glück, das wir empfinden, wenn jemand anderes erfolgreich ist, auch wenn es uns selbst nicht betrifft“. Die Freude an jemand anderes Freude also, etwa, wenn wir glückliche Kinder sehen. Der Mann hier auf dem Bild freut sich sichtlich, weil er annimmt, dass das Kind sich übers Fliegen freut (das Kind wiederum kann seine Freude noch nicht so zeigen).
Damit ist Freudenfreude das Gegenteil der Freude an jemand anderes Leid, ein Gefühl, dass so spezifisch deutsch ist, dass „Schadenfreude“ es auch in andere Sprachen geschafft hat. Erfunden hat die NYT die Freudenfreude indes nicht. In Internetforen kursiert die Freudenfreude schon länger. Laut einem Reddit-Thread verwenden die Vielliebhaber:innen der Polyamorie-Community den englischen Begriff „Compersion“, wenn sich jemand an den sexuellen Wonnen des eigenen Partners mit Anderen ko-erfreuen kann – das käme der „Freudenfreude“ ziemlich nahe, klingt aber nicht so gut.
Auch in einem Buch aus dem Jahr 2016 („Ans Herz gelegt. Die vielen Sprachen der Liebe“) wird über das fehlende Wort sinniert – im Hebräischen etwa gebe es ja mit der Bezeichnung „firgun“ („פירגון“) ein Äquivalent für diese ultra-altruistrische Empfindung. Unter US-Psycholog:innen nutzt man den Begriff ebenfalls schon länger: 2018 erschien in einem Fachmagazin der Text „The Role of Freudenfreude and Schadenfreude in Depression“.
The Role of Freudenfreude in The German Society sollte zukünftig natürlich eine gewichtige sein. Dafür aber müsste man wohl nicht nur ein Wort, sondern dieses Land gleich mit neu erfinden. Mit dem Deutschen verbindet man eher Angstlust, Weltschmerz und Blitzkrieg, nicht aber Mitfühlendes. Kein Wunder, dass es das Wort „Mitfreude“ im Deutschen zwar gibt, aber „Mitleid“ um einiges geläufiger ist. Die jüngere Generation kennt immerhin die Redewendung „Gönn dir“. Vergnügen und Lust wird dann wohl doch langsam gesellschaftsfähiger.
Traurig, fast schon trauertraurig ist es, dass die New York Times augenblicklich gescholten wurde: dieses so schöne Wort gebe es doch gar nicht! (In Germany we call it „Besserwisser“.) Doch doch, es gibt die Freudenfreude. Spätestens jetzt. Sie wird sicher bald eine schmerzliche Lücke im Duden füllen.
Jens Uthoff
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen