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Archiv-Artikel

Hitlers Urenkel surfen nach Liebe

Auch der Neonazi-Nachwuchs sucht die große Liebe im Internet. Für „Deutschgirl“-Websites sind rechtsextreme Singles eine attraktive Klientel. Extremismusforscher: Beziehung zu Neonazi nur erträglich, wenn sie mit der Ideologie sympathisiert

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Sie nennen sich BerlinsRache, DerLoitnant oder Gote und haben einiges gemein: Sie sind jung, rechtsextrem – und einsam. Sie suchen dort nach Liebe, wo sie angeblich immer leichter zu finden ist: im Internet. BerlinsRache zum Beispiel möchte „süße deutschgirls“ kennen lernen – also „gleichgesinnte deutsche Mädels (16–25) aus unserer schönen Stadt Berlin“. Sein Mitbewerber Gote („rechts und national“) sucht „ein Mädel, das gleichfalls so denkt und mit dem ich Pferde stehlen kann“.

BerlinsRache ist 28, „180 cm hoch, ca. 90 kg, sportlich, dunkle Augen, Glatze“, obendrein „knusprig“ und mag „Deutschrock, Partys und alles, was Spaß macht“. Gote wirbt mit seinem Faible für „für germanische und deutsche Geschichte“. Sein Motto lässt ahnen, was er meint: „Wir werden siegen – Niemals aufgeben – Niemals kapitulieren!“

Die rechtsextremen Singles haben ihre Kontaktgesuche nicht in einer der großen Partnerbörsen platziert, sondern da, wo die Chance größer sein dürfte, das passende Skingirl für „Freundschaft und mehr“ zu finden: auf der Website von Rocknord. Der Online-Händler bietet vom „Kraftschlag“-Klingelton fürs Handy bis zu T-Shirts mit Sprüchen wie „Braune haben bessere Laune“ die ganze Palette von Statussymbolen, die sich der einsame Nachwuchs-Neonazi fürs erste Date mit seinem „Deutschgirl“ wünschen kann. Dem Online-Shop vorgeschaltet ist ein Portal mit Nachrichten, CD-Rezensionen und einem Forum. Hier darf der Nachwuchs nicht nur gratis Hass auf politische Gegner ablassen – sondern in der Rubrik „Kontakt“ eben auch die große Liebe suchen.

Der Berliner Rechtsextremismus-Forscher Henning Flad hält Singlebörsen wie diese für mehr als eine besonders bizarre Randerscheinung aus dem Neonazi-Milieu. „Das Ziel ist klar: Die Anhänger der Szene sollen in eine hermetische Parallelwelt eintauchen.“ Dazu gehörten nicht nur Musik, Kleidung, Verhaltenskodex und Ideologie – sondern im Idealfall auch ein rechtsgerichteter Partner. „Wenn der Partner nicht mitmacht, ist er ein Risiko“, sagt Flad. „Er gefährdet die Bindung an die Szene.“

Nach Ansicht des Wissenschaftlers sind Single-Börsen gerade für Neonazis auch aus anderen Gründen attraktiv. Zum einen, weil Frauen nur dann eine Beziehung zu einem Neonazi aushalten könnten, wenn sie selbst mit dessen Ideologie sympathisierten. Zum anderen, weil es gerade im „härteren“ Teil der Szene kaum Frauen gebe.

Umgekehrt gelten Singles aber auch als wirtschaftlich besonders interessante Klientel. „Sie sind konsumkräftig und haben ein hohes Bedürfnis, ihr Leben entsprechend ihrem Stil auszugestalten“, sagt der Mainzer Single-Forscher Stefan Hradil. Kein Wunder, dass inzwischen auch rechtsgerichtete Online-Shops Kontaktforen für sie anbieten, urteilt der Trierer Jugendsoziologe Waldemar Vogelgesang, Fachmann für „Community Building“ im Internet: „So bindet man Kunden. Wer auf einer Website seine Braut sucht, schaut natürlich häufiger vorbei.“ Und ordert im Idealfall gleich noch die neueste Rechtsrock-CD.

Glaubt man den Rocknord-Kunden, dann funktioniert das Dating: So schwärmt ThorLady, sie habe sich mit BornBad vor einem Monat „hier auf der Seite kennen und lieben gelernt“. Und auch Bierpatriot, 17, versichert, er habe seine „Maus“ 1Purzel4 in dem Forum gefunden.

Für Extremismusforscher Flad bestätigen die Einträge einige Thesen über Partnerschaften in der Neonazi-Szene: Genau wie Rechtsrock-Liebeslieder seien die Texte entweder „naiv-kindisch und spießig“ oder „sexistisch-obszön“. Hier vermutet Flad eine Parallele zum Verhältnis mancher Skinheads zu Sexualität: „Skinhead-Frauen haben keine schlechte Chance, früher oder später Opfer sexueller Gewalt zu werden.“

Ob dies auch für DerLoitnant gilt? Er wirbt um ein „blondes und blauoigiges Mädchen aus Sachsen-Anhalt und Umkreis zwecks Vermehrung der germanischen Bevölkerung“. Die Betreffzeile lautet: „Nationale F***sau gesucht“.