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Wirtschaft leugnet Scheitern der Elbvertiefung

Hafenwirtschaft und Terminalbetreiber sind verärgert über die enormen Schlickmengen in der Elbe und die möglicherweise jahrelangen Einschränkungen

Die Hamburger SPD widerspricht dem Fazit des grünen Koalitionspartners

Die Hamburger Hafenwirtschaft und der Hafenlogistiker HHLA haben angesichts der drohenden mehrjährigen Einschränkungen für Großcontainerschiffe auf der Elbe rasche Lösungen gefordert. Es sei dringend erforderlich, „dass der Bund kurzfristig umsetzbare und unbürokratische Lösungen findet und Maßnahmen ergreift, um die Soll-Wassertiefen auf der Bundeswasserstraße Elbe wieder herzustellen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg, Norman Zurke. Ein HHLA-Sprecher betonte: „Als Betroffene erwarten wir, dass insbesondere der Bund seinen Verpflichtungen hinsichtlich der zugesagten Fahrrinnentiefen nachkommt.“

Die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes hatte Anfang des Monats wegen der großen Schlickmengen entschieden, die schiffbare Wassertiefe der Tideelbe vom 1. Dezember an zunächst bis zum 30. November 2023 um einen Meter einzuschränken. Dann sagte Behördenpräsident Hans-Heinrich Witte der Zeit, dass es drei bis fünf Jahre dauern könne, bis das Flussbett durch Baggerarbeiten wieder die geplante Tiefe erreicht habe.

Ursprünglich sollte mit der Elbvertiefung der zulässige Tiefgang für Frachter auf 14,50 Meter bei Flut und auf 13,50 Meter tideunabhängig erhöht werden. Nach Angaben der Generaldirektion bleiben nun im Vergleich zur Zeit vor der Vertiefung nur Verbesserungen von 20 bis 90 Zentimetern.

Die Hamburger Hafenbehörde HPA erklärte, der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) Unterstützung angeboten zu haben. Am Montag sei die Ausschreibung für zusätzliche Baggerleistungen veröffentlicht worden, sodass wohl Anfang 2023 mit zwei weiteren Baggern gearbeitet werden könne.

Zurke betonte, man gehe nach wie vor davon aus, dass die Mindertiefen bis 2024 behoben werden könnten. Der Hafen sei für die exportorientierte deutsche Wirtschaft sowie für die Versorgung der Menschen systemrelevant. „Ein Zurückfallen auf Wassertiefen, die nach der ersten Stufe der Elbvertiefung vorlagen, stößt bei der Hamburger Hafenwirtschaft auf größte Sorge und Unverständnis.“

Der Transport von Waren und Gütern über den Wasserweg sei nachhaltig und klimafreundlich, sagte der HHLA-Sprecher. „Entschieden widersprechen wir der Auffassung, dass die Fahrrinnenanpassung gescheitert ist.“

Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF bekräftigten ihre Forderungen nach einem Rückzug der Baggerschiffe. Hamburg und der Bund dürften jetzt nicht mehr, sondern müssten weniger baggern, damit sich das Ökosystem stabilisieren könne, erneuerten die in einem Aktionsbündnis zusammengeschlossenen Verbände ihre Forderungen. Es sei nicht erforderlich, dass jedes Schiff zu jeder Zeit den Hamburger Hafen anlaufen könne, wenn in Wilhelmshaven ausreichend Kapazitäten für die Abfertigung der größten Schiffe der Welt vorhanden seien.

Die SPD-Regierungsfraktion in der Bürgerschaft kritisierte sowohl den Bund als auch den grünen Koalitionspartner, der die Elbvertiefung für gescheitert erklärt hat. Der Bund schwäche vorsätzlich den Hamburger Hafen, sagte Fraktionschef Dirk Kienscherf. Die Elbvertiefung sei nicht gescheitert. „Vielmehr ist der Bund seinen Aufgaben nicht nachgekommen.“ Auch in Richtung des grünen Koalitionspartners sagte er, wenn Landespolitiker das Scheitern bejubelten, fielen sie damit den Hafenarbeitern in den Rücken. (dpa)

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