: Sozialamt macht dicht
Wegen Überlastung schließt das Neuköllner Sozialamt für zwei Wochen. Notdienst soll weiterlaufen. Schon seit vier Wochen ist der Sozialpychiatrische Dienst auf Tauchstation
Von Peter Nowak
Ab 14. November ist das Sozialamt des Bezirks Neukölln 14 Tage lang für den Publikumsverkehr geschlossen. „Es ist der absolute Notfall. Die Kolleginnen und Kollegen brauchen die Zeit, um die Rückstände abzuarbeiten, weil wir völlig unterausgestattet sind“, erklärt der Neuköllner Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) die Maßnahme gegenüber der taz. In dieser Zeit müssten die Mitarbeiter*innen die vielen Anträgen abarbeiten, die sich in der letzten Zeit angesammelt hätten.
Die Gründe für die Überlastung seien vielfältig, betont Liecke. Einerseits bestehe akuter Personalmangel, während gleichzeitig die Zahl der Anträge sowie der Bedarf an behördlicher Unterstützung unter anderem seitens Geflüchteter aus der Ukraine gestiegen sei. Alleingelassen werde aber niemand: Auch während der Schließung funktioniere die Nothilfesprechstunde Dienstag und Donnerstag von 9 bis 12 Uhr weiter, so der Stadtrat.Dort dürften nun die Wartezeiten aber noch länger werden.
Schon vor Wochen hat der Sozialpsychiatrische Notdienst in Neukölln, der Menschen in akuten psychischen Situationen Unterstützung bieten soll, seine Arbeit weitgehend eingestellt. Betroffene, die die Hotline anrufen, werden an Polizei und Feuerwehr verwiesen. Grund ist eine Reihe von Kündigungen wegen Arbeitsüberlastung. Die verbliebenen Ärzt*innen, Psychiater*innen, Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen hatten vor einem Monat mit einem Hilferuf an den Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) auf den Notstand aufmerksam gemacht.
Erwerbslosen- und Stadtteilgruppen sehen in der zeitweisen Schließung des Sozialamts eine weitere Belastung für Betroffene. Gerade in Zeiten, wo wegen steigender Energiepreise viele Menschen Zuschüsse zu ihren Energiekosten beantragen müssten, sei die Schließung katastrophal, sagt eine Betroffene, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, der taz. „Viele Mieter*innen bekommen wegen anstehender Rechnungen Druck vom Vermieter und wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.“
Immerhin: Trotz des Ämterversagens sind Betroffene mit ihren Ängsten nicht allein. In Neukölln gibt es seit Jahren eine Selbstorganisation von Erwerbslosen und Anwohner*innen, die sich kritisch mit den Zuständen am Sozialamt befassen. Am Dienstag werden die Aktivist*innen ab 9 Uhr vor dem Amt in der Donaustraße 89–90 mit Kaffee sowie Tipps und Informationen zur Verfügung stehen.
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