Die nächste Briefmarke

Die strategisch wichtige Krim-Brücke nach Russland wurde durch eine Explosion beschädigt. Wer dahintersteckt, ist noch unklar. Sicher ist: Russlands Präsident Putin gerät dadurch stark unter Druck

8. Oktober: Blick auf die Brücke aus der Nähe der Krimstadt Kertsch Foto: dpa

Eine gewaltige Explosion, lodernde Waggons und ins Meer gestürzte Teile der Krim-Brücke haben Kremlchef Wladimir Putin am Tag nach seinem 70. Geburtstag ein böses Erwachen beschert. Am Samstagmorgen verbreiteten sich Videos von den in Flammen stehenden Treibstoffwaggons eines Güterzugs im Sonnenaufgang über der symbolträchtigen Brücke. Von drei Toten war die Rede. Putins Herzensprojekt, die von ihm selbst eröffnete 19 Kilometer lange Verbindung zwischen Russland und der 2014 annektierten Halbinsel, ist schwer getroffen.

Kurz sah es so aus, als ob die auch für die Versorgung russischer Truppen wichtige Lebensader von Russland zur annektierten Krim zerstört ist. Für die Front im Süden der Ukraine hätte das entscheidende Auswirkungen haben können. Doch nach einigen Stunden ist klar, dass der Schaden wohl weniger schlimm als gedacht ist – und repariert werden kann. Der Verkehr rollt teils schon wieder.

Das Entsetzen in Russland ist trotzdem groß, die Ukraine feiert den Anschlag auf die Brücke ähnlich wie den Untergang des russischen Kriegsschiffs „Moskwa“ im Frühjahr. „Zu diesem Feiertag bringen wir eine neue Marke heraus mit der Krim-Brücke – oder vielmehr mit dem, was von ihr übrig ist“, kündigte der ukrainische Postchef an. Der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrats kombinierte Aufnahmen des beschädigten Bauwerks mit einem Video, in dem Hollywood-Legende Marilyn Monroe das Geburtstagsständchen „Happy Birth­day, Mr. President“ singt.

Offen ist, was passiert ist und wer hinter dem Anschlag steckt. Russlands Ermittler erklärten, ein mit Hunderten Kilogramm Sprengstoff beladener Lkw sei auf der Brücke explodiert. Der Feuerball soll auf der Bahnstrecke neben der Fahrbahn mehrere Kesselwagen mit Diesel in Brand gesetzt haben. Teile der Straße stürzten ins Meer. Experten diskutierten, wie ein Sprengsatz in einem Lkw an verschiedenen Stellen über mehr als einem Kilometer solch schwere Schäden anrichten kann.

Im ukrainischen Fernsehen meinte der nach Kiew geflohene frühere russische Parlamentsabgeordnete Ilja Ponomarjow, es könne sich um eine mehrteilige Spezialoperation gehandelt haben. Ponomarjow hatte schon im August nach dem Autobomben-Attentat auf die Kriegsbefürworterin Darja Dugina von einer Untergrundorganisation proukrainischer Partisanen gesprochen, die angeblich gezielt größere Anschläge verübe.

Putin machte am Sonntagabend den ukrainischen Geheimdienst SBU für die schwere Explosion verantwortlich: „Es gibt keine Zweifel. Das ist ein Terrorakt, der auf die Zerstörung kritischer ziviler Infrastruktur der Russischen Föderation ausgerichtet war.“ Ein offizielles Bekenntnis der Ukraine gibt es aber nicht. Der Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, schrieb erst, das sei nur der Anfang. Wenig später aber streute er die Version, russische Einheiten selbst könnten es gewesen sein, um einen Machtkampf zwischen Verteidigungsministerium und Inlandsgeheimdienst FSB auf offener Bühne auszutragen. Dabei berichteten selbst ukrainische Medien stolz unter Berufung auf Sicherheitskreise, der eigene Geheimdienst SBU habe einen neuen Coup gelandet.

Trotz unzähliger Drohungen Moskaus, bei einem Angriff auf die Krim-Brücke hart zurückzuschlagen, hielt sich Putin zunächst zurück. Er setzte eine Untersuchungskommission ein und wies eine strengere Bewachung der Brücke an. Der Machtapparat reagierte wohl auch deshalb betont nüchtern, um die Zehntausenden russischen Touristen auf der im Herbst weiter extrem beliebten Ferienhalbinsel nicht in Panik zu versetzen. Krim-Chef Sergej Aksjonow signalisierte, die Urlauber sollten auf Staatskosten länger bleiben dürfen. Immer wieder wurde die subtropische Schwarzmeer-Idylle in diesem Sommer von Anschlägen erschüttert. Es gab mehrere Zwischenfälle mit Drohnen – auch um den Küstenort Kertsch, an dem die Krim-Brücke anlandet. (dpa)