Kein Land für Frauen : Patriarchat, Gewalt und Pandemie
Kleinbäuer:innen in Nigerias Kornkammer Plateau sind mit vielen Herausforderungen konfrontiert – besonders schwer haben es weibliche Landwirte.
von Martha Agas
Der nigerianische Bundesstaat Plateau ist nicht nur der größte Produzent von Kartoffeln in Nigeria, dort werden auch Weizen, Sorghum, Hirse, Reis und andere Nutzpflanzen angebaut. Der Staat ist im Agrarsektor Plateaus, in dem die Mehrheit der Bevölkerung arbeitet, mit vielen Herausforderungen konfrontiert. In seiner Ansprache zum diesjährigen Tag der Demokratie verkündete Gouverneur Simon Lalong, dass mehr als 3.000 Reisbauern und 5.000 weitere Landwirte in das Anker-Kreditprogramm der nigerianischen Zentralbank aufgenommen wurden, um die landwirtschaftliche Produktion zu steigern.
Bereits 2020 hatte er erklärt, dass die Regierung des Bundesstaates mehrere Millionen Naira für die Beschaffung und Subventionierung von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und im Rahmen ihrer Partnerschaft mit der Afrikanischen Entwicklungsbank verbessertes Saatgut zur Verfügung gestellt hatte. Zudem seien die Kapazitäten der Landwirte für moderne Produktionsmethoden erweitert worden. So sei etwa ein Labor für Kartoffelkulturen fertiggestellt worden, um die Züchtung hochwertiger Kartoffelsorten zu ermöglichen und den Kartoffelanbau auf weitere Gemeinden auszuweiten.
Schließlich seien 1.500 Bewässerungspumpen verteilt worden, um die Anpflanzung von Kartoffeln und Gemüse in der Trockenzeit zu erleichtern. 150 Landwirte wurden dadurch in die Lage versetzt, mit dem Anbau von Weizen und Gerste zu beginnen. Diese Bemühungen erscheinen einerseits lobenswert. Doch die Kleinbauern, die den größten Teil der Nahrungsmittel im Bundesstaat produzieren, beklagen andererseits, dass sie Schwierigkeiten haben ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Kein Land für Frauen
Mary Afan, die nationale Präsidentin der Organisation der Kleinbäuerinnen in Nigeria (SWOFON), sagt, dass das patriarchale System – insbesondere im Norden Nigerias –, für weibliche Landwirte vor allem den Zugang zu Land erschwert hat. „Die Sitten und Gebräuche haben den Frauen das Privileg verwehrt, Land in ihren Familien zu erben. Selbst wenn sie über die nötigen Mittel verfügen, um Land zu kaufen, wird die Transaktion vereitelt.“ Die einzig verbleibende Möglichkeit sei, Land über Ehemänner, Söhne oder männliche Verwandte zu erwerben. „Niemand wird dir als Frau Land in deinem Namen verkaufen; es muss im Namen deines Mannes oder deines Sohnes sein“, beklagt Afan.
Jessica Vonkat, die Landeskoordinatorin der Landfrauenorganisation Country Women Association of Nigeria (COWAN) im Plateau, hat sich in den Gemeinden für mehr Ackerland für Frauen eingesetzt. Kürzlich erklärte sie: „Wir tun das, weil die Lebensmittel, die in Nigeria konsumiert und auf den Märkten verkauft werden, größtenteils von Frauen auf dem Land stammen, die nur einen Viertel Hektar bewirtschaften.“
Lilian Ogbogbu, eine Geflügelzüchterin, beklagt ebenfalls die Schwierigkeiten beim Zugang zu Land für die Hühner- und Viehzucht. „Zudem mindert die Unsicherheit in den ländlichen Gemeinden, insbesondere durch die Konkurrenz zwischen Bauern und Hirten, die Ernten. Das hat Getreide wie Mais und Sojabohnen, die als Hühnerfutter und Nahrungsmittel verwendet werden, verknappt oder extrem verteuert”, sagt sie.
Kampf ums Wasser
So seien die Bäuerinnen gezwungen, Sicherheitspersonal zu engagieren, das sie auf der Farm bewacht, da sie oft angegriffen und vergewaltigt werden. Einige wurden sogar von Hirten getötet, vor allem in der Trockenzeit, wenn es zu Auseinandersetzungen um die knappen Wasserressourcen kommt. Die zunehmende Unsicherheit in der Region habe die Kosten für die Geflügelhaltung vor allem in den ländlichen Gebieten Plateaus in die Höhe getrieben.
Eine weitere Herausforderung sei der fehlende Zugang zu Krediten und staatlichen Hilfen. „Weibliche Landwirte, die zumeist Analphabeten sind, müssen weite Wege auf sich nehmen, um ein Konto zu eröffnen, damit sie Zugang zu Krediten und staatlichen Hilfen haben. Es sind bürokratische Abläufe, die für die Bäuerinnen sehr aufwändig sind“, sagt Ogbogbu.
SWOFON-Präsidentin Mary Afan klagt auch über die bürokratischen Verfahren, die Bäuerinnen den Zugang zu Krediten erschweren. Es habe den Anschein, dass diese Hürden darauf abzielen, dass die staatlichen Krediten nicht an jene gehen, die solche Hilfen wirklich benötigen. „Die bürokratischen Verfahren zur Eröffnung eines Kontos sind für Bäuerinnen kompliziert.“ Ebenso schwierig sei es für sie, benötigte Dokumente wie Strom- und Wasserrechnungen vorzulegen.
Auch Geflügelzüchterin Lilian Ogbogbu hält das für Schikane. Politiker sollten bei ihren Wahlkampftouren vielmehr auf die Stimmen der Frauen in den Gemeinden hören – und bei traditionellen Führern und Genossenschaftsführern dafür werben, dass Frauen leichter Land bekommen können.
Notlage durch die Pandemie
Die Reisbauerngewerkschaft Rice Farmers Association (RFA) hat sich Gedanken gemacht, wie die Produktion angekurbelt werden könnte. Joshua Bitrus, der RFA-Regionalchef von Plateau, hält etwa Mikrokredite für ein geeignetes Mittel. Sie würden den Reismühlen ermöglichen, verschiedene Verfahren, zum Beispiel das Entfernen kleinerer Steine, zu verbessern. Den Landwirten in Plateau fehlen zudem Düngemittel, moderne Setzlinge und landwirtschaftliche Chemikalien wie Herbizide. In Plateau sind sich alle Beteiligten einig, dass ein besserer Zugang zu solchen Betriebsmitteln vonnöten ist.
John Wuyep, der Regionalchef der Bauerngewerkschaft All Farmers Association in Nigeria, glaubt, dass subventionierte Preise für diese Betriebsmittel dazu beitragen würden, die Ernährungsunsicherheit im Land zu verringern. Die generelle Notlage der Landwirte in Plateau sei durch die COVID-19-Pandemie und insbesondere durch die Lockdowns verschlimmert worden. „Die Kleinbauern zählen immer noch ihre Verluste an Lebensmitteln und Vieh, selbst nachdem sich die eingeschränkte Mobilität wieder normalisiert hat”, sagt Wuyep.
Die Pandemie habe die bestehenden Lücken in der Nahrungsmittelherstellung und die Schwäche bei der Bewältigung von externen Schocks – zum Beispiel bei Krankheitsausbrüchen oder Naturkatastrophen – offengelegt. „Die Landwirte, die Gemüse und Obst anbauen, haben während des Lockdowns hohe Verluste erlitten, da ihre Produkte leicht verderblich sind.“
Auch Mary Afan von SWOFON beklagt das Fehlen von Lagermöglichkeiten. Landwirte mit verderblichen Waren seien deshalb in der Regel gezwungen, ihre Erzeugnisse zu sehr niedrigen Preisen an Mittelsmänner zu verkaufen, die diese Situation ausnutzten, und die Landwirte regelrecht erpressen. Die Pandemie habe die Kleinbauern in Bedrängnis gebracht und die Nahrungsmittelknappheit und Armut verschlimmert, weil auch sie während der Lockdowns in ihren Häusern eingesperrt waren, sagt Afan.
Gesetz zur Chancengleichheit umsetzen
Der Klimawandel führt in Plateau laut Afan zudem zu vermehrt auftretenden Dürre. Die Regierung solle deshalb den Bau von Minidämmen unterstützen, um die Möglichkeiten zum Ackerbau in der Trockenzeit zu verbessern.
Afan empfiehlt auch eine Wiederbelebung der Kontrollbehörden, um die Ernährungsunsicherheit und die Preiskontrolle durch Zwischenhändler zu bekämpfen. Die Regierung solle stärker gegen die Zusammenstöße zwischen Hirten und Landwirten vorgehen, um die Sicherheit der Landwirte und ihrer Erzeugnisse zu gewährleisten.
Afan fordert darüber hinaus Maßnahmen zur Förderung der lokalen Produktion von Getreide wie Mais, Reis, Weizen und Kartoffeln, bei denen Plateau einen Vorteil gegenüber anderen Bundesstaaten hat. SWOFON und die Landfrauenorganisation COWAN wollen, dass das Gesetz zur Chancengleichheit der Geschlechter auch im Bundesstaat Plateau umgesetzt wird, um die Schwierigkeiten der weiblichen Landwirte bei der Suche nach mehr Anbauflächen zu bekämpfen.
Martha Agas ist eine Journalistin aus Nigeria. Sie arbeitet für die Nachrichtenagentur News Agency of Nigeria (NAN). Der vorliegende Text erscheint auf dem taz Panterblog im englischen Original und in einer leicht abgeänderten übersetzten Version.