taz🐾thema
: degut

die verlagsseite der taz

Die machen ihr ganz eigenes Ding

Start-ups erneuern nicht nur die Ökonomie, sondern beschleunigen auch gesellschaftlichen Wandel. Motor für Innovationen auch technischer Art ist Diversity. Eine entscheidende Rolle dabei spielen Gründerinnen

Am 14. und 15. Oktober findet in Berlin Deutschlands größte Messe für Gründertum statt, die Deutschen Gründer- und Unternehmertage. Auf der deGUT können sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer rund um Existenzgründung und Unternehmertum informieren und beraten lassen. Die Messe hat heute und morgen von 10 bis 18 Uhr geöffnet, sie findet in der Arena Berlin (Treptow) statt.

Von Lars Klaaßen

„Start-ups sind die Wegbereiter der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erneuerung, sie schaffen immer mehr Arbeitsplätze, stehen für innovative Geschäftsmodelle und treiben maßgeblich die Digitalisierung sowie nachhaltige Entwicklung Deutschlands voran“, betonte Gesa Miczaika, Vorständin des Bundesverbands Deutsche Start-ups, anlässlich der Publikation des Deutschen Start-up Monitors (DSM) 2021.

Laut DSM schaffen Start-ups in Deutschland immer mehr Arbeitsplätze. Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl stieg 2021 im Vergleich zum Vorjahr von 14,3 auf 17,6 Personen. 91,6 Prozent der erfassten Start-ups planen Neueinstellungen – im Schnitt 8,7 in den kommenden zwölf Monaten. Als positiv hebt Miczaika den zunehmenden Anteil an Frauen bei der Gründung von Start-ups hervor: Erneuerung bedeute auch, das gesamte Potenzial unserer Gesellschaft auszuschöpfen. Der Anteil an Gründerinnen in den DSM-Start-ups lag 2021 bei 17,7 Prozent.

Der Anteil erfolgreicher Gründerinnen und Unternehmerinnen nimmt nicht zuletzt auch deshalb zu, weil Frauen engagiert und strategisch darauf hinarbeiten. Anastasia Barner etwa, heute 23 Jahre alt, weiß mit rund 19.600 Followerinnen und Followern bei Instagram nicht nur, wie man Social Media für Projekte und Start-ups nutzt. Sie gründete mit gerade mal Anfang 20 bereits ihr erstes Unternehmen: FeMentor ist die erste Female-Reverse-Mentoring-Plattform in Europa. „Reverse Mentoring“ bedeutet, dass nicht bloß die Mentorin ihr Wissen weitergibt, sondern dieser Austausch in beide Richtungen auf Augenhöhe stattfindet. Die junge Frau als Mentee kann ihr Wissen – sowohl individuell als auch das ihrer spezifischen Generation – ebenfalls vermitteln. Die Gründerin erhielt den FemTec Award 2020 in der Kategorie Leadership.

„Entscheidend ist bei diesem Konzept der Rollentausch zwischen Mentorin und Mentee“, erläutert Barner. „Die jungen Frauen werden zu Mentorinnen, wenn es um zum Beispiel um Social Media geht.“ Empowering für junge Frauen lautet das Ziel dabei. Dabei sei es auch heute noch wichtig, junge Frauen zu ermutigen und ihnen ein weibliches Rolemodel zur Seite zu stellen. „Statt Geld fließt Wissen, denn Wissen ist Macht“, so Barner. „Dadurch gibt es kein Gefälle zwischen Mentor und Mentee. Es entsteht ein Austausch auf Augenhöhe, der beiden behilflich ist.“ FeMentor kooperiert mit Start-ups, mittelständischen Unternehmen und DAX-Konzernen, öffnet jungen, talentierten Frauen also die Türen dorthin.

„Potenzielle Partner kommen in der Regel auf uns zu“, sagt Barner. „Im Vorfeld sprechen wir mit mindestens einer weiblichen Person im Unternehmen, um uns ein Bild zu machen.“ Ob die Unternehmenskultur passt, macht FeMentor an einer Reihe von Kriterien fest, unter anderem: Art der Rekrutierung, faires Gehalt für alle, aktive Ansprache von Frauen, Gleichberechtigung am Arbeitsplatz.

Auch in der eigenen Firma legt die Chefin Wert auf Diversity, mit Blick auf Geschlechter, Generationen und Kulturen. Das Reverse-Mentoring-Netzwerk besteht aus rund 1.700 Mentorinnen, die aus unterschiedlichen Kulturen, Branchen und Altersgruppen kommen. Die Frauen, die sich bei FeMentor engagieren, sind weltweit tätig. „Je bunter das Team, desto vielfältiger ist der Input für unsere Arbeit“, betont die Gründerin.

Diversität und Kommunikation waren auch für Sabrina Spielberger wichtige Schlüssel zum Erfolg. Im Alter von 28 Jahren gründete sie digidip. Das Start-up, 2013 auf den Markt gekommen, führt in über 40 Ländern Onlinehändler mit Webseitenbetreibern zusammen und ist dabei auf automatisierte Content-Monetarisierung und Performance-Analyse spezialisiert. Als Meta-Netzwerk, das von rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betrieben wird, bietet es Bloggern, Online-Magazinen und Influencern Zugang zu 100 Affiliate-Netzwerken und über 40.000 Händlern weltweit. Mit selbstentwickelter Technologie an den Start gegangen, gehörte es schon bald zu den am schnellsten wachsenden Firmen Europas, belegte im Bereich Sales & Marketing Platz 1 in Europa. Um sich unternehmerische Freiheit in größerem Maße zu wahren, ging Spielberger mit digidip als „Bootstrap“-Unternehmen an den Start, verzichtete also auf eine externe Finanzierung. Ausgaben mussten minimiert und Einnahmen zugleich maximiert werden.

„Der Druck war zwar enorm“, sagt Spielberger. „Eine entscheidende Basis für den Erfolg aber war, Chancengleichheit bei digidip zu leben, bei allen unternehmerisches Denken zu fördern.“ Wichtig für das dynamische und kreative Klima sei zudem gewesen, wer sich bewirbt: „Diverse Teams bereichern die Unternehmenskultur ungemein.“ Community statt Competition lautete ihr Ziel, transparente Kommunikation habe zu besseren Ergebnissen geführt. Diese Werte im Arbeitsalltag zu realisieren, hat nicht von Anfang an reibungslos funktioniert. „Ein Leadership-Coaching hat mich dann für die praktischen Aufgaben fitter gemacht“, erinnert die Gründerin sich. Zu den Idealen kam das handwerkliche Know-how fürs Management. „Es ist wichtig zu wissen, wann man seine Leute einbinden sollte und wann sie Führung brauchen“, betont Spielberger. Wenn etwa Leitlinien und Ziele formuliert werden, sei Mitsprache von großer Bedeutung. Spüre man hingegen Unsicherheit im Team, sei Führungsstärke gefragt: „Dann heißt es, die Richtung vorzugeben.“

Mit Blick auf Profitabilität und Umsatzziele sah Spielberger im vergangenen Jahr alle ihre Ziele erreicht, die sie sich gestellt hatte. Sie verkaufte das Start-up und verließ das Unternehmen in diesem Sommer: „digidip ist nun Teil einer Unternehmensgruppe, was den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern größere Aufstiegschancen eröffnet.“ Spielberger hat gerade eine Stiftung gegründet, die junge Talente fördern soll, mit Fokus auf Inklusion und Diversität. Sollten dort künftige Gründerinnen und Gründer auf den Weg gebracht werden, wäre das sicher ein gern gesehener Nebeneffekt. Aber auch die persönlichen Ambitionen sind noch Thema: „Als ich mit digidip an den Start ging, paarte sich eine Portion Wahnsinn mit Naivität, das fehlt mir heute“, sagt Spielberger lachend. Dass sie sich demnächst nochmal an eine Gründung macht, wäre dennoch nicht auszuschließen: „Das ist nach wie vor mein Ding!“