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Genossen mit Anspruch

Cosurca heißt der etwas andere Dachverband von elf Kaffeekooperativen in Kolumbien. Er verkauft ausschließlich an Fair-Trade-Partner und fördert die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte – nicht nur in einer kritischen Ausstellung. Ein Besuch in Cauca

Das Departamento del Cauca liegt im Südwesten Kolumbiens. Im Westen grenzt es an den Pazifik. Auch die Inseln Gorgona und Malpelo gehören dazu, sie liegen etwa 50 beziehungsweise 450 Kilometer westlich vor der Küste. Hauptstadt des Verwaltungsbezirks ist Popayán.

Das Cauca zählt zu den Departamentos mit dem höchsten Anteil an indigener Bevölkerung. Hier leben die Völker der Paez (Eigenbezeichnung Nasa), Guambiano und Embera.

Cauca ist eine der ärmsten Provinzen Kolumbiens. In der Landwirtschaft dominieren der Anbau von Mais, Zuckerrohr, Weizen, Bananen, Kaffee und Kartoffeln. Gold, Ölschiefer und Schwefel sind die Bodenschätze Caucas.

In Cauca befinden sich weitläu­fige Naturparks, unter anderem der Inselnaturpark Gorgona y Gorgonilla.

Von Knut Henkel

Das Wandbild im Hof von Cosurca zeigt die typische, von den Bergen der Andenkordilleren zerschnittene Landschaft des Cauca. Eine fruchtbare, von Vulkanen eingefasste Hochebene, auf der Mais, Zuckerrohr und Kaffeesträucher wachsen. Zwei riesige, mit roten Kaffeekirschen gefüllte Hände recken sich dem Betrachter entgegen, am Rand des Bildes junge Kaffeesetzlinge vor einem Farmgebäude, darauf der Schriftzug „Cosurca“. Die Abkürzung für „Kooperative des Südens des Cauca“.

Unter dem Kürzel organisieren sich seit 1993 elf Genossenschaften, deren Zentrale sich in Timbío befindet. Die Kleinstadt liegt knapp 15 Kilometer südlich von Popayán, der ökonomischen Drehscheibe des Verwaltungsbezirks Cauca.

Bio-Café, Fruchtsäfte und Panela, den eingekochten, in Kolumbien so beliebten Zuckerrohrsaft, produzieren die Genossen. „Alles mit unserem Logo versehen und fair und ökologisch produziert“, erklärt Freddy Urbano mit stolzer Stimme. Dann weist er den Weg in den Bürotrakt mit dem Konferenzraum. Urbano, ein kräftiger, graumelierter Mann von Ende 50, ist Verkaufs- und Qualitätsmanager der 1.500 Familien zählenden Kleinbauernorganisation. Die verkauft jedes Jahr rund 15 Prozent ihrer Ernte an das Wuppertaler Fairhandelsunternehmen Gepa. Das hat seit 2001 Tradition und der Aufbau langfristiger, partnerschaftlicher Geschäftsbeziehungen gehört zur Cosurca-Philosophie.

„Wir beliefern elf Röstereien in Deutschland, Frankreich und den USA, die ausnahmslos Fair-Trade-zertifiziert sind“, erklärt Urbano und hält ein Handbuch von einem Workshop zur Qualitätssteigerung aus dem Jahr 2013 hoch. Das lag sicherlich nicht ganz zufällig auf dem Konferenztisch, an dem mittlerweile auch Geschäftsführer René Ausecha Platz genommen hat. „80 Prozent unserer Ernte erreicht mittlerweile 84 und mehr Punkte auf der Skala der US-amerikanischen Spezialitätenkaffee-Vereinigung SCAA. Unser Kaffee erfüllt damit die Kriterien von Gourmetkaffee“. Ein Erfolg kontinuierlicher Arbeit, der von den Partnern, darunter der Gepa, gefördert wird.

Dazu gehört die regelmäßige Erneuerung der kleinen Kaffeeplantagen mit jungen Setzlingen, die direkt in den Genossenschaften von Cosurca gezogen werden. „Wir setzen mit Colombia, Típica, Caturra und etwas Bourbon auf vier klassische, besonders aromatische Kaffeesorten, die auf kleinen Flächen angebaut werden. Anders als kolumbianischen Durchschnittskaffeebauern stünden den Cosurca-Mitgliedern, oft indigener und afrokolumbianischer Herkunft, nur durchschnittlich 1,2 Hektar Fläche zur Verfügung, so Urbano.

Folgerichtig haben die Cosurca-Experten ihr Anbaukonzept angepasst – auch an die Böden und das sich wandelnde Klima der Region. Mehr Regenfall, kältere Temperaturen in der Blütephase haben im letzten Jahr einen Ernteeinbruch von rund 30 Prozent verursacht. In diesem Jahr wird deshalb die Erntephase ausgedehnt. „Von Ende März bis in den Dezember hinein werden wir die Kaffeekirschen pflücken, kontinuierlich, aber in kleinerem Maßstab“, erläutert Urbano die neue Strategie. Dies hat Vorteile, denn anders als früher, wo das Gros der Ernte in wenigen Monaten eingebracht wurde, müssen so kaum zusätzliche Arbeitskräfte angestellt werden.

Ohnehin sind Arbeitskräfte im Cauca knapp. „Hier wird laut UN-Quellen auf rund 17.000 Hektar Koka angebaut – Tendenz hier, aber auch landesweit steigend. Die Kokabauern zahlen schlicht höhere Löhne als wir sie uns leisten können“, erklärt Geschäftsführer René Ausecha mit sorgenvoller Mine. Die Ausweitung der illegalen Landwirtschaft ist für ihn eine direkte Folge der nur partiellen Umsetzung des im November 2016 unterzeichneten Friedensvertrages mit der Guerilla Farc. Für den hat sich auch die Genossenschaft engagiert.

Doch in viele dieser Regionen ist der Krieg zurückgekehrt. „Vier Monate hatten wir hier Frieden, dann tauchten neue bewaffnete Akteure auf – die permanente Unsicherheit war zurück. Heute müssen wir in einigen Regionen bei ihnen anfragen, ob wir zu Schulungen unserer Mitglieder anreisen dürfen“, schildert Ausecha die aktuelle Situation. Patía heißt eine der Gemeinden, rund 80 Kilometer von Timbío entfernt, wo die Agrartechniker von Cosurca nicht mehr unangemeldet aufkreuzen können.

Die Cosurca-Experten haben ihr Anbaukonzept an das sich wandelnde Klima angepasst

Auf die prekären Verhältnisse reagiert Cosurca mit Filmvorführungen und Diskussionsabende für die Kaffeebauern und ihre Familien. Auch ein kleines Museum über die Geschichte der Genossenschaft im Kontext des seit 1964 schwelenden Bürgerkriegs gibt es, in einem separaten, frei zugänglichen Raum auf dem Gelände: Weiß gekalkte Wände sind mit bedruckten Folien beklebt worden, auf denen dick gedruckte Jahreszahlen ins Auge springen. Eine Zeitleiste, die die wichtigsten Ereignisse im Land und in der Region festhalten. Darunter natürlich auch alles Relevante rund um Cosurca. Die Gründung neuer Genossenschaften etwa, die erste Fair-Trade-Zertifizierung, der Kauf der Sortiermaschine aus deutscher Produktion oder die ersten Bildungsinitiativen.

„Wir schulen unsere Mitglieder nicht nur in Sachen Kaffee, sondern koordinieren auch ihre Weiterbildung“, erklärt Geschäftsführer Ausecha. „Hier in der vielleicht am stärksten vom Bürgerkrieg geprägten Region des Landes, waren die Hoffnungen auf einen echten Frieden immens“. Längst haben sie mehr als einen Dämpfer erhalten.

Doch am Engagement Ausechas hat das nichts geändert, und nun hofft er, dass die neue Regierung von Gustavo Petro das Friedensabkommen reaktivieren und implementieren wird. Parallel dazu läuft die Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen. Dazu zählt der Aufbau einer eigenen Fruchtsaftproduktion sowie die anlaufende Produktion und Verarbeitung von Kakao und Erdnüssen, wofür die Ingenieurin Sandra Pantoja verantwortlich ist.

Hinzukommen Programme, die die Lebensbedingungen vor Ort spürbar verbessern. Dazu zählt der gemeinsame Bau besserer Küchen, von Holzöfen und -herden, die weniger Holz verbrauchen und kaum Qualm produzieren, genauso wie der Aufbau von Bio-Düngeranlagen und kleinen Baumschulen in den Anbauregionen. Das trägt Früchte, was die niedrige Abwanderungsquote bei Cosurca belegt. Während andere Genossenschaften 30 Prozent und mehr ihrer Mitgliederfamilien in den letzten drei Jahren verloren haben, ist die Zahl bei Cosurca recht stabil. Daran wird sich vorerst kaum etwas ändern, denn hohe Weltmarktpreise für Kaffee und die Hoffnung auf Frieden durch die neue Regierung sorgen dafür.