Andreas Speit Der rechte Rand: Wo Burschis nicht auffallen
Augen auf Hamburg“ steht auf Seite 2 des aktuellen Verfassungschutzberichts. Das Landesamt für Verfassungschutz (LfV) hat den Satz sogar groß geschrieben und farblich hervorgehoben – ein Appell. Selbst hat die Behörde aber nicht so genau hingeschaut, zumindest wenn es um rechtsextreme Burschenschaften geht. Auch das zeigt ein Blick in den Jahresbericht. Darin fehlen einschlägige Studentenverbindungen. Welche Infos das LfV über die Burschenschaften sammelt, bleibt somit intransparent.
Im Jahresbericht 2020 schrieb das LfV noch auf zwei Seiten über die „Hamburger Burschenschaft Germania“ und eine Seite über die „Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg“, die sich HBG abkürzt. Die HBG ist eine Schnittstelle zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Über die Jahre unterhielten die Germanen Kontakte zur NPD, der Identitären Bewegung oder der Alternative für Deutschland.
Schon 1991 wies das LfV auf diese rechtsextremen Beziehungen hin – allerdings nur in einem internen Bericht. Später erfolgte die öffentliche Darstellung in den Jahresberichten. In einer alten Pressemitteilung und einem früheren Jahresbericht hieß es, dass innerhalb des Dachverbandes Deutsche Burschenschaften (DB) Bünde in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) organisiert seien, die „überwiegend nationalistisch-revisionistisch ausgerichtet“ seien und am „volkstums-bezogenen Vaterlandsbegriff“ festhielten. „Verbandsintern“, schreibt das LfV weiter, „wurde wiederholt der Vorwurf erhoben, einzelne Burschenschaften der BG würden rechtsextremistische Positionen vertreten. Dazu zählt die Hamburger Burschenschaft Germania.“
In den vergangenen Jahren war nicht zu beobachten, dass die HBG mit ihren Positionen gebrochen oder sich neu ausgerichtet hätte. Die schlagende Verbindung sieht sich als „Fels in der Brandung“, ehrt weiterhin Taten von Bundesbrüdern im Nationalsozialismus. Publizisten und Offiziere a. D. mit revisionistischen Positionen sind gern gesehene Vortragsgäste in dem Männerbund.
Wie kommt es also, dass die Burschenschaften im Verfassungsschutzbericht nicht mehr auftauchen? Einen Hinweis darauf gibt möglicherweise ein Verfahren vor dem Hamburger Verwaltungsgericht. Die HBG hatte sich im Dezember 2020 gegen die Erwähnung im Jahresbericht gewehrt – allerdings ohne Erfolg. Die Kammer 15 gab dem Ersuchen nach einem Rechtsschutz nicht statt. Der „Antrag führt in der Sache nicht zum Erfolg“, erklärte die Kammer. Der Verfassungsschutz hätte die HBG also weiterhin erwähnen dürfen und verzichtet nun dennoch darauf.
Dabei offenbart die Auseinandersetzung um den schleswig-holsteinischen Justizstaatssekretär Otto Carstens (CDU), wie wichtig die Kenntnis über die Burschenschaften ist. Carstens steht wegen seiner Verbindung zu dem schlagenden „Corps Irminsul“ (IC) in der Kritik. In der Folge distanzierte sich das IC von der HBG, mit der sie zuvor Mensuren schlug.
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hält bisher weiter an Carstens fest.
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