: Die Papas waren rolling stones
Auf der Open Air-Bühne an der Bonner Museumsmeile trifft sich die Créme de la Créme des Rhythm and Blues. Dabei folgen die auftretenden Künstler und ihre Songauswahl knallharten Marktgesetzen: Erfolgreich ist nur, was Retro ist
Große Namen, altbekannte Hits. Mit The Commodores, The Temptations und Earth, Wind & Fire teilen sich in diesem Open-Air Soul-Sommer gleich drei Legenden gleichzeitig die Bühne auf der Bonner Museumsmeile. In Zeiten einer alle Genres überspülenden Retro-Welle verkaufen sich auch angegraute Altstars in erster Linie über die Inszenierung ihrer Discographie. Aber auch Soloacts sollen die Kassen füllen. Wilfried Gatzweiler, Geschäftsführer der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn, hat neben Ex-Fourplay-Leader Lou Ritenour, den souligen Popsängerinnen Lisa Stansfield und Mariah Carey auch Soul-Diva Diana Ross eingekauft: „Als Weltstar präsentiert die sich nur als Solo-Act“, sagt er. Ross habe nicht einmal eine Vorband.“
Ganz anders hält es B.B. King, der ehemalige Plantagenarbeiter vom Missisippi. Die im September 80 Jahre alt werdende Blues-Legende lässt sich von einer 15-jährigen begleiten. Das texanische Nachwuchstalent Renee Olstead interpretiert bereits amerikanische Evergreens wie Summertime, What a difference a day made oder Sentimental Journey, denen der Glamour und das Flair großer Sängerinnen wie Billy Holliday anhaften. „Natürlich kann sie nicht erlebt haben, worüber sie singt“, sagt der Konzertveranstalter Karsten Jahnke. Aber wie sie singt, sei eben allererste Sahne. Und deshalb stünde sie an dem Abend nicht nur neben B.B., sondern auch neben weiteren Soulgrößen wie Randy Crawford und Oleta Adams. „Für ein Konzert mit Crawford und Adams lassen sich gerade mal 1.000 Karten verkaufen, für einen gemeinsamen Auftritt von B. B. King und Renee Olstaead aber mehr als vier mal so viele“, sagt Jahnke.
Hier strahlt der Lolita-Effekt auf die Konzertkultur aus. Denn gegen die rückläufigen Verkaufszahlen sind derzeit vor allem blutjunge Sängerinnen als „Allheilmittel“ gefragt. Egal, ob es das rotwangige Kindergesicht der Renee Olstaead, der engelsgleiche Blondschopf der 18-jährigen Joss Stone oder die ebenholzschwarzen Schneewittchen-Locken von Katie Melua sind, der offensichtliche Gegensatz von äußerer Erscheinung und vokaler Ausdruckskraft ist natürlicher Teil des marktwirtschaftlichen Kalküls.
Und die offenbare Sehnsucht der Zuhörer nach einer aus der Mode gekommenen Spiritualität erklärt dann auch, warum die Nachwuchstalente – die zweifellos hohes handwerkliches Können und stilistische Sensibilität besitzen – gerade mit der Ausschlachtung des Plattenschranks ihrer Eltern so erfolgreich sind. Schließlich feierte nicht nur Joss Stone gerade mit ihrem Debut-Album Soul Sessions, das überwiegend aus Neuaufgüssen alter Motown-Soulnummern besteht, ihren internationalen Durchbruch.
Auch die in Belfast aufgewachsene Katie Melua bekam den Brit-Award für ein Debut, das Akustik-Hommagen an Folk-Queen Eva Cassidy und Stücke von John Mayall und Canned Heat liefert. Schon ein erstaunlicher Stilmix für den Geschmack eines durchschnittlichen Früh-Twens. Es darf also vermutet werden, dass für die Auswahl eher ihr Produzent, der alteingesessene Komponist und Arrangeur Mike Batt verantwortlich ist. Denn die Nachwuchstalente verkaufen sich nur so gut, wie ihre sie fördernden Mentoren sind. Renee Olsteads Mentor ist David Foster und der hat auch schon Celine Dion produziert.
MARIKA DRESSELHAUS
Infos: www.kah-bonn.de