piwik no script img

„Ein diverser Stadtteil mit viel musikalischem Potenzial“

Das Hamburger Musikfestival „48h Jenfeld“ will die kreativen und aufregenden Seiten des stigmatisierten Stadtteils präsentieren

Steph Klinkenborgin Jenfeld aufgewachsen, ist Soziologin und Projekt­entwicklerin und hat die „48h“-Festivals initiiert.

Interview Marco Fründt

taz: Frau Klinkenborg, Sie haben vor 13 Jahren das Festival „48h Wilhelmsburg“ ins Leben gerufen. Warum nun Jenfeld?

Steph Klinkenborg: Wir haben in 13 Jahren in Wilhelmsburg gelernt, wie Musik die Menschen ins Machen und die Nachbarschaft in den Austausch bringen kann. Wir haben die Musik aus den Wohnzimmern auf die Straße geholt. Ich wusste, dass auch in Jenfeld ganz viel Musik in den Wohnzimmern schlummert, weil ich dort aufgewachsen bin. Und ich wusste, dass es hier viele Menschen und Institutionen gibt, denen der Stadtteil am Herzen liegt.

Wie blicken die Ham­burger:innen auf Jenfeld? Und wie sehen sich die Jen­fel­de­r:in­nen selbst?

Jenfelds Image ist nicht das Beste. Viele Menschen leben am Existenzminimum. Aber nun zeichnet die Menschen ja mehr aus als nur ihr Sozialhilfebezug. Ich entdecke immer wieder, wie neugierig viele Menschen hier sind, wie solidarisch Nachbarschaft sein kann, wenn man aufeinander angewiesen ist. Zudem hat Jenfeld mit der Otto-Hahn-Schule eine lange Tradition in der musikalischen Bildung.

Was ist das Besondere an Jenfeld?

Nicht nur die Menschen, auch der Stadtteil selbst ist sehr vielfältig. Hier gibt es sehr grüne, aber auch sehr urbane Ecken. Cafés und Restaurants gibt es nur wenige. An manchen Ecken glaubt man, Jenfeld ist eher für den Autoverkehr geplant als für die Menschen, die hier leben. Mit seiner Lage am Stadtrand gibt es dort viele große Straßen mit Durchgangsverkehr. Darunter leidet die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum sehr. Aber es gibt auch wild-romantische Ecken und schöne Parks. Indem wir an öffentliche Orte gehen und dort Musik machen, verändern wir die Wahrnehmung der Orte und machen Lust auf das Gestalten des eigenen Stadtteils. Das können wir schon im ersten Jahr deutlich spüren.

Welche Musik gibt es in Jenfeld?

Es ist immer ein guter Indikator für vielfältige Musik, wenn vielfältige Bevölkerungsgruppen an einem Ort leben. Jenfeld ist ein diverser Stadtteil mit viel musikalischem Potenzial. Wir haben hier einen vietnamesischen, einen russischen und einen arabischen Chor, es gibt aber auch ganz viele Singer/Songwriter und Blues- oder Jazz-Formationen.

Warum ist das Festival wichtig für den Stadtteil?

Weil wir die Nachbarn zusammenbringen. Indem wir in den Austausch kommen, uns kennenlernen, können wir Vorurteile abbauen und zusammen unseren Lebensraum gestalten. Musik funktioniert für alle. Natürlich wollen wir auch dem übrigen Hamburg die aufregenden und kreativen Seiten Jenfelds zeigen, die oft unbeachtet bleiben.

Musikfestival „48h Jenfeld“: heute bis So, 4. 9., Hamburg-Jenfeld, https://www.musik-aus-jenfeld.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen