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Archiv-Artikel

Altes Design, neue Farben

Im syrischen Damaskus ist das Kunsthandwerk zu Hause. Zwar stirbt das alte Wissen, die alte Kunst immer mehr aus, aber es gibt auch ganz neue, kreative Meister. Ein Streifzug durch den Souk

VON MONA SARKIS

„Goldschmied, seit 4.000 Jahren“ – so stellt sich Georges Obeid vor und verweist auf seine Vorfahren, die bis in die Zeit Abrahams 2.000 Jahre v. Chr. zurückreichen. In seinem Antiquitätenladen in der Altstadt von Damaskus, inmitten von Gold und Silber, schimmerndem Brokat und dampfendem Tee erzählt Obeid über sein Handwerk und davon, dass das Wissen darüber ausstirbt. „Glauben Sie, die Globalisierung hat uns nicht berührt?“, lächelt Obeid. „Plötzlich hieß es, die westliche Massenproduktion ist schick, weg mit der Handarbeit.“

Die Folgen beobachtet auch Heike Weber. Seit 17 Jahren entwirft die Deutsche gemeinsam mit arabischen Frauen Stickereiprodukte: „Die Frauen in den entlegenen Dörfern, die noch in ihren Traditionen verwurzelt sind, sind in Designfragen viel talentierter. In den Städten hingegen brauchen sie Mustervorgaben. Notfalls klammern sie sich an Burda-Hefte und sticken Osterhasen, die für sie gar keine Bedeutung haben“, schüttelt die Modedesignerin den Kopf. In ihren Entwürfen will sie das „Geheimnis der Gesetze“ von traditionellen Mustern, Farben, Schnitten und Stoffen mit dem Heute verknüpfen. Dass dabei auch bauch- oder rückenfreie Stücke zustande kommen, sei natürlich. Der Erfolg gibt ihr Recht: „Früher haben bei uns die Ausländerinnen eingekauft. Heute sind es die Syrerinnen selbst.“

Trotz oder gerade wegen der Globalisierung ist eine gewisse Rückbesinnung auf das eigene Kulturgut auszumachen, vor allem unter jungen Syrern. So verschrieb sich auch Walid den Gesetzen von Mustern und Farbspielen. Seit vier Jahren arbeitet der 21-Jährige in der Intarsienwerkstatt von Antoine Istephan in Bab Touma, dem verwinkelten Altstadtviertel um das Thomas-Tor. Schmuckkästen, Schachbretter, Tischchen. Walid bestückt sie alle mit Mustern aus hellem Zitronen-, dunklem Eben- oder rötlichem Eukalyptusholz und kommt dabei ins Schwärmen: „Wissen und Fantasie sind das Wichtigste. Ich muss die alten Muster kennen, darf sie aber nicht immer nur kopieren.“ Das Zweitwichtigste: eine elektrische Stichsäge, die aus den dünnen Holzbrettern Quadrate, Dreiecke, Rechtecke oder Rauten aussticht. Gebündelt und verleimt werden sie zu Mustern angeordnet, in die Perlmutt eingefügt wird. Kostenpunkt: umgerechnet 20 Euro für ein Kästchen.

In einer anderen Einlegekunst geübt ist Familie al-Kaka. In dem als „Damaszierung“ berühmten Verfahren werden kupferne Teller oder stählerne Waffen mit metallenen Gold- und Silberfäden üppig verziert. Die Schwerter kaufen vor allem Saudis.

Dass die Technik der Hinterglasmalerei ein Revival erlebt, ist nicht zuletzt Georges Obeid zu verdanken. Über Jahre hinweg wurde sie fast nur noch von Abu Subhi al-Tanawi praktiziert, einem Verkäufer von Küchenutensilien, der sich die Zeit hinter der Ladentheke mit dem Aufpinseln der „Antar und Abla“-Geschichten vertrieb. Die arabische Version von „Romeo und Julia“ – nur weit kriegerischer und heldenhafter – soll vor Jahrhunderten auch der Auslöser für die Verbreitung der Technik gewesen sein: Geschichtenerzähler machten die Abenteuer-Episoden landesweit so berühmt, dass auch die Illustratoren sie würdigen wollten. Unter anderem mit der komplizierten Hinterglasmalerei, die verlangt, dass Licht- und Schatteneffekte als Erstes aufgetragen werden, damit die nachfolgenden Schichten sie nicht überdecken. Al-Tanawi kümmerte sich um diese Feinheiten nicht immer, sondern kreierte einen fröhlich-naiven Stil, der ihm den Titel „Picasso von Damaskus“ bescherte. Obeid stellte die Werke bei sich aus – und siehe da: „Sie gingen weg wie warme Semmeln.“ Die Tradition führen heute al-Tanawis Kinder fort.

Adressen: Souk-al-Hamidiye, Bab Touma und das Galerienareal „Takkieh Suleimanyeh“ sind die besten Adressen. Straßen mit Hausnummern gibt es nur zum Teil. Einfach fragen, die Damaszener sind sehr kontaktfreudig.Georges Obeid. Alter Souk-al-Sagha („Souk der Juwelierskunst“) beim Souk-al-Hamidiye. Obeid ist eine Legende, Fundgrube – und die Auskunftsstelle für weitere Einkaufstipps.Heike Weber. ANAT Shop for Arabian Handicrafts. www.anat-sy.org Antoine Istephan Intarsien. Ladenverkauf im Souk-al-HamidiyeFamilie al-Kaka Damaszierung. Takkieh Suleimanyeh.Glasbläserei: Nazir Kazzaz & Söhne, Takkieh Suleimanyeh.Messing- und Bronzeartikel: zahlreiche Geschäfte in der König-Faysal-Straße.Steinmetzkunst: Mustapha Ali, Ibn-Zubeir Street. Teppiche (u. a. Sweida, Kuteifeh und Sadad) im Vertrieb von Georges Obeid