: Elbe geadelt wider die Pläne der Politik
Das Dresdner Elbtal konnte Weltkulturerbe werden, weil Bürgerinitiativen immer wieder die Bebauung verhinderten
DRESDEN taz ■ Jetzt ist offiziell, was die Dresdner schon immer gewusst haben: Ihr Dresdner Elbtal ist das schönste Dresdner Elbtal der Welt. Unbedingt vererbungswürdig als eine ideale Symbiose von Natur und sensibler Bebauung. Also bewarb man sich 2002 bei der Unesco um den touristisch interessanten, sonst aber mit keinerlei Privilegien ausgestatteten Rang des Weltkulturerbes. Vor fast genau einem Jahr wurde der mittlerweile ziemlich inflationäre Titel im chinesischen Suzhou auch tatsächlich verliehen. Der damalige sächsische Kunstminister Matthias Rößler (CDU), selbst Elbanwohner und flutgeschädigt, sprach von einer „Erhebung in den Adelsstand“. Gestern nun wurde auf Schloss Albrechtsberg, einem der markanten Elbschlösser, die Urkunde an Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) überreicht – mit allen Ehren.
Die Ehre gebührt eigentlich dem legendären Kurfürst August dem Starken und einigen Generationen seiner Nachfolger. Im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts plante er Dresden als ein barockes Gesamtkunstwerk um. Italienisch inspiriert, kam dabei der Elbe die Rolle eines Canale Grande zu. Freilich mit dem Unterschied, dass der Strom nicht eingezwängt, sondern weiterhin befreit durch die Stadt mäandern durfte und die infolge seiner Schürftätigkeit entstandenen Naturgegebenheit respektiert und zugleich geschickt ausgenutzt wurde.
So erstrecken sich die legendären Elbwiesen bis heute auf dem inneren Gleithänger der Hauptschleife. Die Prallhänge sind teils locker, teils repräsentativ bebaut worden. Sogar Weinhänge schummeln sich dazwischen. Das Grün dominiert auch hier in der deutschen Stadt mit dem höchsten Grünflächenanteil. Reichlich 19 Quadratkilometer umfasst die postkartenträchtige Elbzone. Auch dem Eingeborenen entringt sich immer wieder ein „Scheen!“, wenn er den berühmten Blick des Malers Canaletto über die Elbe auf die teils wiederhergestellte Stadtsilhouette nachvollzieht.
Für ihre Naturanlage kann die Stadt wenig, wohl aber für die Bewahrung derselben. Die Auszeichnung gebührt eigentlich jenen, die Widerstand leisteten, als die erste CDU-geführte Stadtregierung die Elbwiesen nach der Wende schon einmal bebauen wollte: den Bürgerinitiativen, die seelenlose uniforme Wohnklötze der Neuzeit am Loschwitzer Elbhang verhinderten. Auch den Gegnern der teuersten und sinnlosesten Stadtbrücke Deutschlands, die nach einem Bürgerentscheid nun doch an der breitesten und optisch empfindlichsten Stelle des Elbtals entstehen soll.
Aber die Stadt, die zur Entschuldung mit der Wohnungsbaugenossenschaft einen Dukatenesel verkaufen will, hat nicht einmal genug Geld, sich des Ehrentitels „Weltkulturerbe“ auch würdig zu erweisen. Kein Geld für ein Welterbe-Büro im Lingnerschloss. Nicht einmal für die Welterbe-Bronzetafel, die heute am Rande des Elbhangfestes enthüllt werden soll, fanden sich die 3.000 Euro. „Wir müssen das Welterbe vor den Politikern schützen“, konstatierte der ehemalige Landeskonservator Heinrich Magirius jüngst auf dem Dresdner Entwicklungsforum.MICHAEL BARTSCH