Komplizierte Operation

Der SC Freiburg wirkt beim 4:0 gegen den FC Augsburg trotz runderneuerter Mannschaft schon am ersten Spieltag der Bundesliga erstaunlich reif. Die Schwaben dagegen befinden sich noch auf der Suche nach einer Idee für ein aktives Spiel

Helden der Kreisliga? Von wegen! Hier versuchen sich echte Profis am Spiel mit dem Ball Foto: Philippe Ruiz/imago

Aus Augsburg Maik Rosner

Christian Streich fuchtelte mit den Händen, die Gesten unterlegte er mit lauten Anweisungen. Ein paar Meter entfernt von dem erfahrenen Freiburger Trainer des Jahres stand Bundesliga-Debütant Enrico Maaßen vor seiner Bank und schien in sich selbst zu ruhen. Seine vor der Brust verschränkten Arme bewegte der neue Trainer des FC Augsburg selten und oft auch nur, um seine Hände zur Abwechselung hinter seinem Rücken ineinanderzulegen. Wer nur Streich, 57, und Maaßen, 38, spät in der zweiten Halbzeit beobachtete, hätte zu dem Eindruck gelangen können, das Auswärtsspiel beim FCA nehme für die Freiburger einen unerwünschten Verlauf. Tatsächlich zeichnete sich ihr 4:0-Sieg längst ab, als Streich noch energisch Anweisungen gab.

Vor allem aufgrund der zweiten Halbzeit war dem Sport-Club ein überzeugender Start in die neue Saison der Bundesliga gelungen. Das hatte viel mit Michael Gregoritsch zu tun, der jüngst aus Augsburg zu Freiburg übergelaufen war. Im Gegenzug hatte der bisherige SC-Stürmer Ermedin Demirovic die Seiten gewechselt. Bisher hat sich dieser Tausch nur für die Freiburger ausgezahlt. Denn Gregoritsch sorgte 15 Sekunden nach dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit mit seinem Kopfball für Freiburgs Führung. Zwei Minuten später stand es 0:2, weil Vincenzo Grifo einen Freistoß von halbrechts auf eine besonders tückische Flugbahn geschickt hatte.

Ähnlich bedröppelt wie Augsburgs Schlussmann Rafal Gikiewicz schauten nach den weiteren Gegentoren durch Freiburgs Rückkehrer Matthias Ginter (61.) und Ritsu Doan (78.) auch die anderen Augsburger drein. Dass drei der vier Tore durch Freiburger Sommerzugänge erzielt worden waren, bestärkte die Gäste zusätzlich. „Das wünscht man sich, dass es so läuft“, sagte Gregoritsch, vergangene Saison mit neun Treffern Augsburgs erfolgreichster Torschütze. Nach den beiden schnellen Toren zu Beginn der zweiten Halbzeit „spielen wir es sehr gut fertig“, befand er.

Trotz der drei Zugänge Gregoritsch, Ginter und Doan in der Start­elf und des ebenfalls eingebauten Talents Kiliann Sildillia wirkte Freiburgs Mannschaft schon ziemlich reif. Durch diesen ersten Eindruck deutet zunächst einmal nichts darauf hin, dass der Sport-Club nach seiner Qualifikation für die Europa League nun wieder ein markantes Abrutschen erleben könnte. Das hatte die Freiburger nach ihren ersten drei Einzügen in den Europapokal 1995, 2001, 2013 ereilt, als sie direkt oder kurz danach sogar zweimal abstiegen (1997, 2002). Derartige Szenarien wirken aktuell sehr fern. Vielmehr gehören die Freiburger nach bereits 22 Spielzeiten in der Bundesliga schon zu deren Establishment.

„Ohne Standards, wäre es ein ausgeglichenes Spiel gewesen“

Enrico Maaßen, FCA-Trainer

Die Augsburger mussten zu Beginn ihrer zwölften Bundesliga-Saison dagegen bilanzieren, dass ihnen kein Auftakt nach Maaßen geglückt war, wenn man so will. Die Gelassenheit ihres neuen Fußballlehrers am Spielfeldrand kam dabei schon als Ausdruck jener Ruhe daher, mit der er den deutlichen Dämpfer später abmoderierte. Seine Mannschaft habe aus dem Spiel wenig zugelassen, befand er, zudem sei Freiburg bekanntermaßen stark bei ruhenden Bällen. „Wenn du die Standards weglässt, wäre es ein ausgeglichenes Spiel gewesen“, sagte Maaßen.

An seiner Überzeugung, auch beim FCA erfolgreich zu sein, hat sich nichts geändert, trotz seiner fehlenden Erfahrung auf höchstem Niveau, nachdem er bisher maximal in der dritten Liga gecoacht hat, zuletzt bei Borussia Dortmund II. Anderen beim FCA war dagegen durchaus anzumerken, dass ihre Zuversicht von vor der Saison nun stärker erschüttert worden war. Er wolle es nicht „naiv“ nennen, aber man sei in der zweiten Halbzeit „nicht ganz da“ gewesen, sagte Verteidiger Felix Uduokhai. Wichtig sei, „dass man weiter an den Dingen arbeitet und die Nerven nicht verliert“, so Geschäftsführer Stefan Reuter. Er hatte „viele vermeidbare Fehler“ erkannt.

Zumindest zu Beginn der ersten Halbzeit war es Maaßens Elf gelungen, die neue Spielidee umzusetzen. Seine Mannschaft soll von hinten herausspielen und sich um aktive Teilnahme am Geschehen bemühen. Die hauptsächlich destruktive Grundhaltung der vergangenen Jahre soll abgelegt werden. Nach diesem Auftakt scheinen manche Augsburger zu ahnen, dass das kompliziert werden könnte.