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Archiv-Artikel

Rasende Sumpfbeschauer

MUSIK Tom Redecker ruft, und die furiosen Sumpfreiter kommen. Einige von ihnen sind am Freitag live zu sehen, weitere von ihnen gibt es auf einem neuen Album zu hören

New Rides Of the Furious Swampriders 

■ Zugegeben, die Klammer ist lose – aber keineswegs beliebig. Auch wenn zwischen Punk-Ikone Deborah Harry (Blondie), den heimischen Indie-Pop-Helden M. Walking On The Water, dem Keller-Gospel der Dad Horse Experience und der furiosen Performerin Lydia Lunch zunächst wenig Gemeinsamkeiten einfallen wollen, wird beim Hören schnell deutlich, dass sich alle mehr oder weniger explizit auf eine musikalische Traditionslinie beziehen, deren Ursprünge in den Sumpflandschaften der nordamerikanischen Südstaaten liegen.

■ Der Sound von New Orleans, die Urformen der Country-Musik, Cajun, die Musik der französisch-stämmigen Einwanderer Lousianas, und deren Ableger Zydeco, das sind nicht zuletzt auch die Wurzeln der Rockmusik. Und denen nähern sich diese Furious Swampriders mit einer liebevoll respektlosen Attitüde, die ohne einen gewissen Jeffrey Lee Pierce wohl so kaum möglich gewesen wäre. Der hatte auf der Suche nach einer unverfälschten amerikanischen Musik den Delta Blues entdeckt und mit dem Feuer von Punk vermählt.

■ Zwei der Songs dieses Swampriders-Albums sind dann auch bereits auf dem Album „We Are Only Riders – The Jeffrey Lee Pierce Sessions Project“ erschienen, das dem jung verstorbenen Musiker ein Denkmal setzte. Neben Nick Cave und Blondie-Gitarrist Chris Stein ist Pierce selbst übrigens auf dem Song „Lucky Jim“ zu hören, den Deborah Harry ergreifend singt.

■ erschienen bei Sireena Records/Broken Silence

von ANDREAS SCHNELL

Am Anfang war das Solo-Album. Genauer: das von Tom Redecker, vielleicht besser bekannt als The Perc und eine Hälfte der Bremer Underground-Helden The Perc Meets The Hidden Gentleman. Der Hidden Gentleman, Emilio Winschetti, hat sich schon vor einer Weile in Berlin, nun ja, nicht gerade versteckt. Aber er arbeitet dort mittlerweile als Location-Scout, wie Redecker berichtet. Kennen gelernt hatten sich die beiden Mitte der 80er Jahre, als Redecker noch bei Kühe im Nebel spielte, bei denen auch Radio-Bremen-Moderator Otmar Willi Weber mitwirkte. Wie man das unter Musikern so hält, beschlossen sie, mal was mit einander zu machen. Daraus wurde besagtes Duo, das mit dem Album „Lavender“ seine größtmögliche Ausdehnung erreichte: hundert Konzerte in einem Jahr, Funk und Fernsehen und was noch dazugehört.

Das war im Jahr 1991. Es gab dann 1993 mit „Ages“ zwar noch ein Album von The Perc Meets The Hidden Gentleman, den beiden wurde aber alles ein bisschen zu viel des Guten, erinnert sich Redecker. Weshalb sie sich „unbefristeten Urlaub“ verordneten. Das erwähnte Solo-Album sollte allerdings schon ein paar Jahre vorher entstehen. 1990 machte Redecker eine Liste mit befreundeten Musikern, die auf seinem Album mitspielen sollten. Die uferte allerdings derart aus, dass Redecker die Idee eines Solo-Albums über den Haufen warf und beschloss, eine Compilation herauszugeben: „The Perc presents The Furious Swampriders“.

Mit dabei waren M. Walking On The Water, Rumble On The Beach, Element Of Crime, The Strangemen, Die Mimmi’s, Ferryboat Bill und viele andere deutsche Underground-Helden. Der Erfolg des Albums führte zu einer Fortsetzung, drei Jahre später. Diesmal kamen internationale Künstler dazu wie der große Jonathan Richman, The Walkabouts und The Gun Club, die Furious Swampriders par excellence. Wieder sieben Jahre später gab es eine dritte Ausgabe, diesmal mit Willie Nelson, Steve Earle und 16 Horsepower.

Dann starb Lothar Gärtner, Eigner des Labels Strangeways Records, mit dem Redecker die bisherigen Alben umgesetzt hatte. So dauerte es ein bisschen länger, bis nun die vierte Ausgabe erschien, wieder mit einem Haufen alter Freundinnen und Freunde.

Deren Veröffentlichung wird am Freitag im Lagerhaus gefeiert, „ganz entspannt“, wie Redecker verspricht. Neben The Perc höchstselbst treten Velvetone, das zweiköpfige Kirschbaum-Weishoff-Trio und Hank Ray von den Raymen auf.

■ Freitag, 19.30 Uhr, Lagerhaus