Dubstep aus den kühlen Klangtälern und ein Coldplay-Rock für die After Hour: Neues von Phon.o und Mount Washington

Es war einmal ein junger Mann, der hieß Carsten Aermes und träumte in den tiefen, gruselig dunklen Tälern des Harzes davon, ein DJ zu werden. Bei Kerzenschein stand er stundenlang in der Scheune auf dem Bauernhof der Großmutter an den Turntables. So lange wollte er üben, bis er es in der großen Stadt schaffen würde. Schaffte er dann ja auch. Aber ob die Legende tatsächlich der Wahrheit entspricht?

Mittlerweile nennt sich Carsten Aeres lange schon Phon.o, er hat angedockt im Umfeld um Apparat, den er noch aus Harzer Tagen kennt, T.Raumschmiere, Modeselektor und Boys Noize. Musikalisch allerdings sucht er auf dem neuen Album „Black Boulder“ nicht die Nähe zu seinen Freunden, sondern eher zu britischen Kollegen wie SBTRKT oder Burial. Deren Geheimniskrämerei um die eigene Identität liegt ihm zwar fern, aber ihre Vorstellungen von elektronischer Musik sind ihm gar nicht fremd. Da muss natürlich das Stichwort Dubstep fallen, und tatsächlich sind die Beats auf „Black Boulder“ angemessen tiefergelegt. Die Basslinien brummen zufrieden wie eine vollgefressene Katze und handverlesene Samples sorgen für eine düstere Atmosphäre, während sich immer wieder mal träumerische Stimmen durch die kühlen Klangtäler tasten. Man muss Phon.o aber zugute halten, dass er dieses gerade recht verbreitete Erfolgsrezept nicht allzu ausgiebig ausweidet, sondern immer wieder humorlose Minimal-Techno-Beats dazwischenfahren lässt. Vor allem aber lässt er den schicken Vocals, die Dubstep vor allem zu dem kommerziellen Erfolg gemacht haben, der er ist, nicht zu viel Raum. Stattdessen werden Tracks wie „Leave A Light On“, bevor sie ein Pophit werden könnten, schnell mit den Mitteln des Dub in ihre Einzelinformationen dekonstruiert.

Es war einmal eine junge Band, die hieß Washington und träumte in den tiefen, gruselig kalten Fjorden von Norwegen davon, mal eine große Band zu werden. Weil das im nordnorwegischen Tromsø nicht so recht gelingen wollte, zog man geschlossen nach Trondheim, um festzustellen, dass es dort auch nicht entscheidend aufregender zugeht. Die vorerst letzte Stadion heißt nun Berlin, wo das Quartett sein viertes Album aufgenommen hat. Seitdem nennt man sich Mount Washington und der Umzug in den Süden ist doch auf dem ersten Album unter neuem Namen tatsächlich zu hören. Plötzlich schlängeln sich immer wieder schicke, ziemlich urbane Beats durch die eigentlich gitarrenlastigen Songs, und immer wieder wird die skandinavische Melancholie aufgebrochen mit sanften Grooves und lustigen Sounds aus dem Computer, die knuspern und knabbern an der sonst so geschickt gepflegten Langeweile. Das ist zwar keine bahnbrechende musikalische Neuerung, denn das haben The Notwist schon vor einigen Jahren sehr gelungen vorgemacht. Aber es ist doch der recht gelungene Versuch, Coldplay (ohne Klavier) für die After Hour aufzubereiten. Auf diese Idee hat Welt zwar nicht unbedingt dringend gewartet, sie klingt immerhin aufregender als das Schweigen eines norwegischen Fjords. THOMAS WINKLER

■ Phon.o: „Black Boulder“ (50 Weapons), heute als Support für Luke Vibert im Gretchen, 23.30 Uhr

■ Mount Washington: „Mount Washington“ (Glitterhouse)