piwik no script img

Vom Protest zum Campingplatz

Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen haben im Wendland einen Luxus-Campingplatz mit ökologischem Anspruch gebaut. Ihr preisgekröntes Konzept wollen sie nun auch in der Eifel realisieren, denn es ist sehr erfolgreich

17 Hütten auf Stelzen, ausgerüstet mit Öko-Trockentoiletten und Infrarot-Heizkörpern unter der Holzdecke, stehen für modernes und nachhaltiges Camping. Das Destinature-Dorf in Hitzacker im dünn besiedelten Wendland wirbt mit dem Slogan „Die Natur wird zum Hotel“. 2019 erst eröffnet, gewann der kleine Campingplatz im vergangenen Jahr gleich den Deutschen Tourismuspreis wegen seines durchdachten Konzepts. „Jahrzehntelang waren wir die Ökospinner, weil wir schon süchtig nach nachhaltigen Lösungen suchen“, erzählt Holger Danneberg und lacht.

In vier Generationen protestierten die Dannebergs gegen die Castortransporte nach Gorleben, Eltern und Enkel waren dabei. Der Vater von Holger Danneberg arbeitete als Friseur in der sogenannten Republik Freies Wendland, die kurzzeitig aus dem Protest entstanden war. „So etwas wächst in der Region, wo man sagt, man will anders leben“, sagt Wolfgang ­Ehmke, Sprecher der Bürgerini­tiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Im Camping-Dorf gehe es nicht nur um Energiesparen. „Man kann sich nicht immer mehr Wachstum vorstellen. Das Projekt ist wunderbar, eine Form von sanftem Tourismus.“

Aus dem eigenen Interesse, draußen zu campen und viel Fahrrad zu fahren, entstand die Idee des Pilotprojekts in Hitz­acker. Der 60-Jährige hat mit seiner Frau Eva das Unternehmen Werkhaus Design und Produktion in Bad Bodenteich gegründet und viele Experimente mit Möbeln im Stecksystem gewagt. „Wir haben das etwas unterschätzt, wollten das ganz locker angehen. Aber zum Beispiel die Gastro mussten wir richtig lernen“, erzählt Eva Danneberg. Nudelportionen im vegetarischen bis veganen Mini-­Restaurant müssten eben immer gleich groß sein.

Rollbetten zur Sternenschau

Das kleine Dorf treffe den Zeitgeist und zeige, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit der Umwelt in einem erfolgreichen Tourismusprojekt verwirklicht werden könne, urteilte die Expertenjury des Deutschen Tourismusverbandes. Der etwas luxuriösere Campingplatz ist mit vielem ausgestattet, was moderne Naturliebhaber schätzen: Sauna, Ladestation für ­E-Bikes und etliche kleine Betten to go auf Rädern, in denen man von seiner Matratze den Sternenhimmel beobachten kann. „Glamping nach ökologischen Maßstäben. Toller Ort zum Entspannen und Seele baumeln assen“, schrieb eine Besucherin im Netz. Der Begriff „Glamping“ leitet sich von „Glamourous Camping“ ab.

Zehn weitere mit Schafwolle isolierte Hütten aus unbehandeltem Douglasien- und Fichtenholz werden demnächst hinzukommen. Denn bislang haben es Neukunden manchmal schwer, weil die Stammkunden gern schon die Wochenenden im Voraus buchen. Auch Seminare und Hochzeiten bietet das Dorf an – ein Gemeinschaftsraum für Feierlichkeiten ist in Planung. Seit einigen Wochen sind drei ukrainische Geflüchtete angestellt, auch wenn sie noch kein Deutsch sprechen.

Hitzacker gilt für die Dannebergs als Pilotdorf, 370.000 Euro Fördermittel kamen von der EU, auf weit über eine Million belaufen sich die Kosten für die Entstehung inzwischen. Mit verschiedenen Hochschulen ist das Paar im Austausch, um Kompostierung oder die Resteverwertung von Holz zu optimieren. Ein neues Projekt in ähnlichem Stil entwickelt das Ehepaar für die Südeifel.

Populäres „Kackpulver“

Besonders stolz ist der Camping-Pionier auf seine Komposttoiletten: Aus Pflanzenkohle, Algenkalk, Tonmehl, Hanfstroh und weiteren Zutaten entsteht ein Gemisch, das Danneberg „Kackpulver“ nennt. Einmal in die Trockentoilette geschüttet, zersetzt es die Ausscheidungen in einem kleinen Sack, der ausgewechselt wird. Und das Beste: Es riecht hinterher angeblich nicht mehr. „Zuerst waren unsere Mitarbeiter skeptisch und wollten das nicht saubermachen. Aber die Gäste fanden es so toll, dass es inzwischen akzeptiert ist.“Britta Körber, dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen