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Archiv-Artikel

Neue Kämpfe im Südosten der Türkei

Die kurdische PKK hat ihren Waffenstillstand beendet. Auf ihre Angriffe reagieren die türkischen Soldaten nach dem alten Muster der Gewalt. PKK-Kader fühlen sich von Regierung hintergangen und fürchten zugleich den Verlust ihres Einflusses

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Seit Tagen klingen die Schlagzeilen aus dem kurdischen Südosten so erschreckend wie diese: „Fünf Militante der PKK in der Nähe von Bingöl getötet“. „Die Armee startet eine neue Offensive gegen kurdische Aufständische“. Zwei Tage zuvor waren drei Soldaten getötet und 11 schwer verletzt worden, als an unterschiedlichen Plätzen im Südosten Minen explodierten, die zum Teil ferngesteuert waren. Dem voran ging die Meldung, die Armee hätte bei einer Offensive im Raum Tunceli 17 Militante getötet. Dabei handelte es sich aber nicht um eine Auseinandersetzung mit der PKK, sondern um eine Schießerei mit einer linken Splittergruppe.

Besonders Besorgnis erregend waren Meldungen aus Van, einer Stadt nahe der iranischen Grenze, wo in der letzten Woche erstmals seit Jahren wieder eine Massendemonstration gegen das Militär stattfand. Die Menge forderte ein ordentliches Begräbnis für zwei PKK-Guerilleros, die Tags zuvor erschossen und verscharrt worden waren. Als die Polizei den Protest gewaltsam beenden wollte, wurde ein kurdischer Jugendlicher erschossen.

Die wieder aufgeflammten Kämpfe zwischen der kurdischen Arbeiterpartei PKK und der türkischen Armee waren bereits Gegenstand einer Kontroverse zwischen der türkischen Regierung und der EU. Während des letzten regelmäßigen Treffens zwischen Regierungschef Tayyip Erdogan und den Botschaftern der EU-Staaten in Ankara beklagten diese, dass der türkische Staat auf den erneuten Konflikt im Südosten nur militärisch reagieren würde. Erdogan verteidigte daraufhin das Vorgehen der Militärs und betonte, gegen Überfälle der PKK-Terroristen bliebe keine andere Wahl.

Tatsächlich geht die gegenwärtige Eskalation der Gewalt in den kurdischen Gebieten der Türkei darauf zurück, dass die PKK ziemlich genau vor einem Jahr den nach der Verhaftung und Verurteilung ihres Chefs Abdullah Öcalan ausgerufenen Waffenstillstand für beendet erklärt hatte. Der Hintergrund dafür ist, dass die Türkei nicht wie erhofft allen PKK-Kämpfern, die sich in den Nordirak zurückgezogen hatten, eine Amnestie anbot, sondern nur denjenigen, die nicht selbst in Kämpfe verwickelt waren.

Vor allem die Führungskader der PKK, die auf eine Legalisierung gehofft hatten, wenn sie die PKK in eine rein politische Partei umwandeln würden, sahen sich getäuscht. Sie werfen der Regierung vor, alle Angebote zu Verhandlungen abgelehnt zu haben.

Offenbar hatte die PKK-Führung auch Angst, dass die Entwicklung in der Türkei ganz an ihr vorbeigehen könnte, da sich die früher immer als legaler Arm der PKK bezeichnete Dehap zunehmend von den Militanten distanzierte. Sichtbarster Ausdruck davon ist ein Aufruf türkischer und kurdischer Intellektueller an die PKK, ihre Angriffe einzustellen und die in den letzten Jahren errungene Normalisierung im Südosten nicht wieder aufs Spiel zu setzen.

Unterschrieben haben den Aufruf so prominente Türken wie Orhan Pamuk wie auch führende kurdische Dehap-Mitglieder. Selbst die im letzten Jahr aus dem Gefängnis entlassene Ikone der kurdischen Bewegung, Leyla Zana, der zuletzt eine bedenkliche Nähe zum inhaftierten Abdullah Öcalan nachgesagt wurde, schloss sich an.

Vorläufige Schlusspointe im Drama im Südosten ist, dass sich vor wenigen Tagen der türkische Generalstabschef Hilmi Özkök den Forderungen der EU anschloss und ebenfalls die Regierung drängte, dem Militär das Problem nicht allein zu überlassen, sondern mit wirtschaftlichen und politischen Programmen aktiv zu werden.

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