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„Pavillonschulen sind pädagogisch nicht überholt“

Eine Tagung in Kiel befasst sich mit dem Schulbau der 1920er- bis 1950er-Jahre

Klaus Gereon Beuckers55, ist seit 2008 Lehrstuhlinhaber für Kunstgeschichte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Dort hat er mehrere Forschungsprojekte zur Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts durchgeführt, aktuell zum Schulbau.

Interview Bettina Maria Brosowsky

taz: Herr Beuckers, was zeichnet die gut 20 Kieler Pavillonschulen aus, die zwischen 1948 und 1964 unter Magistratsbaudirektor Rudolf Schroeder errichtet wurden?

Klaus Gereon Beuckers: Die Schulen sind in Pavillonbauweise, also eingeschossig in Zeilen gebaut, um jeder Klasse einen eigenen, ebenerdigen Zugang und eine zugehörige Außenklasse zu ermöglichen, in der andere Unterrichtsformen als im Innenraum praktiziert werden können. Durch die Bauweise sind zudem alle Klassen von zwei Seiten belichtet und belüftet, was beispielsweise bessere hygienische Bedingungen zulässt. Jede Klasse hatte zudem einen Garderobenraum, der als Erschließung zwischen den vorgelagerten Laubengängen – ebenfalls Unterrichtsorte und zudem Flure ohne Energieverbrauch – und den Außenklassen sowie Schulgärten diente und mit Waschgelegenheiten versehen war. Der Typus war vor dem Ersten Weltkrieg entwickelt und dann zwischen den Kriegen perfektioniert worden, bevor er nach 1945 Umsetzung fand.

Im vergangenen Jahr hatten Sie an der Kieler Uni zu einem internationalen Austausch über diese Pavillon- oder Schroeder-Schulen geladen. Lo­kal­po­li­ti­ke­r:in­nen sähen deren Denkmalschutz-Status mitunter gerne aufgeweicht. Konnte die Tagung zu einer positiveren Wertschätzung beitragen?

Eine umfassendere Kenntnis der Schulen und der ihnen zugrunde liegenden, bis heute aktuellen Reformansätze erhöht die Akzeptanz. Die Tagung konnte dem Vorurteil entgegentreten, dass die Schulbauten heute pädagogisch überholt seien. Damit lieferte sie Argumente für eine Erhaltung dieser in der Bevölkerung hochgeschätzten Bauten.

Ihre aktuelle Veranstaltung knüpft terminlich an das „Kieler-Woche-Gespräch“ zum Schulbau im Juni 1952 an. Damals wurde die Pavillonschule kontrovers diskutiert. Fehlen heute nicht solche Streitgespräche zum Schulbau?

Tagung „Licht, Luft und eine neue Pädagogik. Neue Forschung und Impulse“: Mo, 20. 6., 17 Uhr, Kiel, Forum für Baukultur, Waisenhofstraße 3

Tagungsband „Licht, Luft und eine neue Pädagogik. Die Kieler Pavillonschulen und der Schulbau der 1920er bis 1950er Jahre“, Verlag Ludwig, 560 S., 224 S/W-Abbildungen, 69,90 Euro

Abgesehen von dieser Stimme des Stadtbaumeisters aus Hannover war die Akzeptanz damals sowohl bei den Architekten, Pädagogen als auch der Bevölkerung sehr hoch. Die Diskussion über einen angemessenen Schulbau ist in den 1970er-Jahren dann nach drei Generationen intensiver Überlegungen eingeschlafen. Dies sieht man den Schulbauten seitdem leider an, die oft unter allein wirtschaftlichen Gesichtspunkten entworfen werden. Die Pandemie hat die Problematiken vieler heutiger Schulen mit Lernlandschaften und wechselnden Gruppenzusammensetzungen sowie fehlenden Lüftungsmöglichkeiten offengelegt. Es ist zu hoffen, dass dies zu einer neuen Schulbaudiskussion führt. Die Pavillonschulen bieten dabei zeitgemäße Lösungsvorschläge.

Im Band zur Tagung stellen Sie auch die Ergebnisse eines Studierenden-Workshops des Bundes Deutscher Ar­chi­tek­t:in­nen zur Weiterentwicklung der „Schroeder-Schulen“ vor. Wird darin eine neue Theorie erkennbar oder eine neue produktive Kontroverse?

Wir zeigen mehr als 20 Studien. Der Workshop sollte anhand von zwei ausgewählten „Schroeder-Schulen“ Aspekte markieren, wie weitergedacht und baulich fortentwickelt werden kann. Er ging also exemplarisch vor und wollte keine neue Theoriebildung leisten. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Studierenden aus unterschiedlichen Hochschulen und Fachbereichen nach der Einarbeitung sehr schnell geradezu zu Fans der Pavillonschulen wurden.

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