: Fall von Versütung
Wahrheit findet Wort und neue Wirklichkeit
Es ist ja nur ein kleiner harmloser Fehler, der am Mittwoch der Nachrichtenagentur AP dankenswerterweise unterlief, als sie meldete: „Überschwemmungen richten Versütungen im Yellowstone-Nationalpark an.“ Eigentlich nicht der Rede wert, vermutlich waren „Verwüstungen“ gemeint, die sonst gern in der weltberühmten „Schneise der Verwüstung“ auftreten. Aber in dem Fall hinterlässt uns das Wort „Versütung“ schon nachdenklich. Denn als philosophisch geschulte alte Wittgensteiner wissen wir, dass die Wirklichkeit erst durch ihre Benennung entsteht. Allein durch die Worte verwirklicht sich das, was wir Realität nennen. Ein Stuhl wird nur zum Stuhl durch das Wort „Stuhl“. Was aber ist eine „Versütung“? Hat das etwas mit „Verhütung“ zu tun? Oder mit „Vergütung“? Oder mit „Forsythien“? Wohl kaum. Das Wort „Versütung“ gibt es noch nicht im Deutschen. Ein seltener Fall. Dann lassen wir uns doch mal eine Bedeutung einfallen. „Versütung“ heißt ab sofort der Vorgang, wenn etwas in einem Wirbel irisierender Farben eine glückliche Erscheinung annimmt. Und schon haben wir die Wirklichkeit um eine neue Bewusstseinsform erweitert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen