LESERINNENBRIEFE
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Rassismus gehört zu Deutschland

■ betr.: „Reisefreiheit nur noch mit Einschränkung“, taz vom 7. 6. 12

Es scheint zum politischen Konsens in Deutschland zu gehören, dass die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund gefördert wird. Gleichzeit wird Immigration mit zum Teil lebensbedrohlichen Mitteln bekämpft. Solange dieser Widerspruch besteht, handelt unser Land (und andere unseres Kontinents) weder human noch glaubwürdig in seiner Inklusionsbereitschaft oder demographisch und wirtschaftlich vernünftig. Auch der Rassismus gehört zu Deutschland! HEINZ PETER LEMM, Hamburg

Auf dezentral umstellen

■  betr.: „Eon-Chef gibt den Saubermann“, taz vom 7. 6. 12

Kein Mensch wird Eon aufhalten, mehr Geld in erneuerbare Energien zu investieren. Nur muss das wirklich ehrlich gemeint sein und nicht nur dazu dienen, die alten Strukturen im Energiebereich zu „zementieren“. Das gesamte Energiesystem muss auf dezentral umgestellt werden! CHRISTIAN LUKNER, Bonn

Bummelstreik und Einkaufsstopp

■ betr.: „Verwirrung um Hess-Natur“ und „Kaufen und kontrollieren“, taz vom 6. 6. 12

Als Kundin und potenzielle Genossin einer künftigen Hess-Natur Genossenschaft bleibe ich solidarisch, solange der Verkauf noch nicht besiegelt ist. Nur: Das kann im Moment anscheinend niemand sagen. Intransparente Geschäftsmethoden, Pressemeldungen, die bewusst gestreut werden, und die Verschaukelung von Belegschaft und Kundschaft! Auf Wikipedia unter dem Stichwort Capvis ist der Verkauf schon gemachte Sache! Was stimmt denn nun? Wieso weiß ein Unternehmen nicht genau, wann ein Vertrag geschlossen ist?

Wer hält denn das Kapital der Zukunft in den Händen? Wenn Geschäftsleitung, Betriebsrat und Belegschaft am selben Strang ziehen, dann kann das gesamte interne Wissen doch nicht einfach von den Heuschrecken übernommen werden. Es liest sich fast so, als wäre ein Unternehmen Spielball des Kapitalmarkts.

Bei einem Verkauf an Capvis werde ich mich nicht als Helfershelferin einer Heuschrecke betätigen und „kaufen und kontrollieren“, wie es der taz-Kommentar empfiehlt. Meine Zeit kann ich zu gesellschaftlich sinnvolleren Tätigkeiten nutzen, denn Capvis ist von mir nicht kontrollierbar. Diese Beteiligungsgesellschaft wird das Unternehmen mit seiner Renditegier sowieso wieder in 3 bis 5 Jahren abstoßen und dann die Öko- und Fairnessstandards ruiniert haben. Öffentlich angedrohter Bummelstreik seitens Geschäftsführung und Belegschaft und Einkaufsstopp bei der Kundschaft sollten Capvis vom Kauf abschrecken! REGINA MEYER, Göttingen

Ein lumpiges Vorhaben

■ betr.: „Wo Palmer irrt“ von Eisenhart von Loeper, taz vom 8. 6. 12

Schriftlich und hinsichtlich der Öffentlichkeit will unser Boris Palmer versöhnen. Doch dabei gerinnt sein Demokratieverständnis zu einem Gelöbnis. Eisenhart von Loeper sieht weiter; er überlistet das Glaubensbekenntnis, er greift eine schwäbische Tugend auf, er bricht den Eid. Stuttgart 21 ist von Anfang an ein lumpiges Vorhaben. Daher endet die Rebellion dagegen nicht, schon gar nicht wegen eines windigen Referendums. PETER FINCKH, Ulm/Donau

Im Schwitzkasten der Polizei

■ betr.: „Hamburg: Nazi-Aufmarsch blockiert“, taz vom 4. 6. 12

Die Ereignisse am 2. Juni in Hamburg waren so unübersichtlich wie vielseitig. Während zehntausend Menschen gänzlich friedlich am Hamburger Rathaus gegen braunes Gedankengut demonstrieren, entscheidet sich ein kleinerer, aber nicht unwesentlicher Teil, den Nazis die Tour zu vermasseln. Zahlreiche Sitzblockaden verhindern erfolgreich und friedlich für Stunden, dass die Demokratiefeindlichen losmarschieren können. Gleichzeitig errichten linke Chaoten in Parallelstraßen Barrikaden und zünden sie an. Sensationsversessene Journalisten und Hobbyfotografen lauern und warten den richtigen Moment ab, um Vermummte oder (auch vermummte) Polizisten vor einer lodernden Feuerwand abzulichten. Die Artikel verkünden: Zehntausende demonstrieren friedlich in der Innenstadt, die Antifa zerlegt Wandsbek.

Jener Teil, der friedlichen zivilen Ungehorsam leisten möchte, wird dem gewaltbereiten Spektrum zugeordnet. Menschen, die sich wegtragen lassen, sind gleichgestellt mit jenen, die sich ein Tuch über die Nase ziehen, um unerkannt Steine und Flaschen auf die Polizisten zu werfen. Die Polizei greift von vornherein härter durch, auch gegen friedliche Blockierer. So wurden die Sitzblockierer nicht einfach an Händen und Füßen weggetragen, sondern äußerst unsanft und mit Schwitzkasten und anderen schmerzhaften Polizeigriffen entfernt. Gleichzeitig skandierten die noch Sitzenden: „Wir sind friedlich, was seid ihr?“ Die tatsächliche Arbeit vieler Demonstranten, das stundenlange Hin und Her, das strategische und gewaltfreie Ringen um Kreuzung für Kreuzung und ihre Beharrlichkeit, den Nazis keinen Raum für ihre rechte Propaganda zu geben, wird durch das einseitige Bild von den Demonstranten untergraben. Zugegebenermaßen gibt es jene Fraktion, die Gewalt als ein legitimes Mittel sieht. Aber auch hier muss im öffentlichen Diskurs unterschieden werden. So gibt es im Fußball schon lange eine Diskussion darüber, wie das Verhältnis von Ultras und Hooligans zu sehen ist. Nicht jeder Fan ist ein Ultra, nicht jeder Ultra ein Hooligan. MICHEL DINGLER, Hamburg