piwik no script img

Angriff auf die Sargträger

Bei der Beerdigung der in Jenin getöteten Journalistin Shireen Abu Akleh kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Bilder gingen um die Welt

Fast wäre der Sarg zu Boden gefallen: israelische Polizei beim Angriff auf die Trauerprozession in Jerusalem Foto: Maya Levin/ap

Aus Tel Aviv Judith Poppe

Am Freitag wurde die Al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu Akleh in Jerusalem zu Grabe getragen. Sie war am Mittwoch zuvor bei Kämpfen zwischen israelischem Militär und bewaffneten Palästinensern in Jenin getötet worden.

Doch als der Sarg aus einem Ostjerusalemer Krankenhaus getragen wurde, drang die Polizei in den Trauerzug ein und ging mit Schlagstöcken gegen die Sargträger vor, woraufhin der Sarg beinahe zu Boden fiel. Kurz darauf wurde die Prozession fortgesetzt und Abu Akleh auf einem Friedhof in der Nähe ihrer Eltern zur Ruhe gebettet.

Die Polizei behauptet, der Sarg sei gegen den Willen der Familie vor dem Krankenhaus von einem Mob beschlagnahmt worden, woraufhin die Polizei eingegriffen habe. Abu Aklehs Bruder sagte jedoch, die Familie und die Trauernden hätten gehofft, eine „kleine Prozession“ abzuhalten, seien aber beim Verlassen des Krankenhauses von Polizisten attackiert worden.

International rief das Vorgehen der Polizei heftige Reaktio­nen hervor. In der vielleicht schärfsten Kritik seit Amtsantritt von US-Außenminister Antony Blinken zeigte dieser sich „zutiefst beunruhigt über die Bilder der israelischen Polizei, die in den Trauerzug der palästinensischen Amerikanerin Shireen Abu Akleh eingedrungen ist“. Abu Akleh ist auch US-amerikanische Staatsbürgerin gewesen.

Auch die Europäische Union verurteilte „die unverhältnismäßige Gewaltanwendung und das respektlose Verhalten der israelischen Polizei gegenüber den Teilnehmern des Trauerzuges.“

Die Polizei kündigte an, eine Untersuchung durchzuführen – wohl auf Druck des Ministers für innere Sicherheit, Omer Bar Lev, der dem Mitte-links-Flügel der Regierung angehört. Durch wessen Kugeln Abu Akleh am Mittwoch bei Zusammenstößen zwischen israelischem Militär und Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen in Jenin ­getötet wurde, ist derweil noch ungeklärt. Das israelische Militär veröffentlichte am Freitag vorläufige Ergebnisse ihrer Untersuchung. Demnach könnte Abu Akleh in zwei möglichen Szenarien getötet worden sein: entweder bei einem „wahllosem palästinensischen Beschuss“ oder in einem Scharfschützenfeuer der israelischen Armee, das irrtümlich die Journalistin getroffen habe.

Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen lehnten eine von israelischer Seite angebotene gemeinsame Untersuchung des Vorgangs ab. Palästinenserführer Mahmud Abbas begründete dies damit, dass Israel die Tat begangen habe und die Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen ihnen nicht trauten. Sie lehnten ebenfalls ab, die Kugel, die Abu Akleh getötet hat, an Israel zu übergeben.

US-Außenminister Blinken ist „zutiefst beunruhigt über die Bilder der israelischen Polizei“

Am Samstag sagte Hussein al-Scheich, Minister für zivile Angelegenheiten der Palästinensischen Autonomiebehörde, dass die Palästinenser „die Beteiligung aller internationalen Gremien an den Ermittlungen“ begrüßten.

Die Spannungen zwischen den Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen und Israel kochen seit einigen Wochen besonders hoch. In den letzten zwei Monaten sind Israelis in verschiedenen Attentaten getötet worden. Bei Razzien und Festnahmen durch das israelische Militär im Westjor­danland kommt es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen, bei denen Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen getötet werden.

Zuletzt wurde am vergangenen Freitag auch der Palästinenser Daoud al-Zubeidi verletzt, der Bruder des ehemaligen Chefs der militanten Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden in Jenin. Am Wochenende erlagt er seinen Wunden. Die lose mit der Fatah verbundenen Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden wie auch die Al-Quds-Brigaden des Islamischen Dschihad hatten gedroht, „die Tore der Hölle zu öffnen“, sollte Daoud Zubeidi in israelischem Gewahrsam zu Schaden kommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen