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Markus Völker Olympyada-yada-yadaDie olympischen Krieger

Die Führung des Internationalen Olympischen Komitees hat in diesen Tagen wieder getagt. Eine Ethikkommission wurde frisch berufen und über die Einstellung der Olympier zu Russland nachgedacht. Wie geht man mit einer kriegerischen Nation um, das ist die Kardinalfrage. Radikaler Ausschluss oder Duldung unter bestimmten Bedingungen? Ein Blick in die frühe Geschichte der Olympischen Spiele ist hierfür ganz hilfreich, denn die Agone, also die Wettkämpfe der Athleten, haben einen züngelnden kriegerischen Keim. „Dass der antike Wettkampf zur Sphäre des Spiels gehörte und dass die Kriege ruhten, wenn die Olympischen Spiele begannen, ist ein Mythos aus dem romantischen Arsenal der Ideologen der Olympischen Bewegung. Die Griechen waren da nüchterner“, schreibt mir auf Anfrage der Historiker Manfred Lämmer, der sich ausführlich mit der Ekecheirie, der vermeintlichen Waffenruhe zur Zeit der Spiele, beschäftigt hat.

Zwischen den Stadtstaaten ging es seinerzeit heftig zur Sache, man bekriegte sich unermüdlich und weitete die Auseinandersetzungen auch auf anderes, nichthellenistisches Terrain aus. Die Olympischen Spiele stellten eher ein Intermezzo in einer Zeit der Scharmützel, Überfälle und Gebietsgewinne dar. Um ein Minimum an Sicherheit zu gewähren, wurde eine besondere Schutzwürdigkeit der olympischen Stätten sowie der Veranstalter, der Eleer, postuliert. Die Griechen respektierten (zumeist) die Heiligkeit von Olympia, und da Kriege die Regel und nicht die Ausnahme waren, diente die Ekecheirie viel eher dazu, die Spiele überhaupt abzuhalten. So sollten auch Athleten aus feindlichen Stadtstaaten unbehelligt zu den Spielen reisen. Eine politische Instrumentalisierung fand in den ersten Jahrhunderten nicht statt, was bei wechselnden Allianzen wohl Sinn ergab. Ein Angriff auf Elis war verpönt, aber auch dieses Gebot wurde letztlich aufgeweicht.

Lämmer bilanziert, dass die Olympischen Spiele das Elitenprojekt einer aristokratischen Oberschicht gewesen sind, die sich selbst ganz der politischen Gestaltung und militärischen Sicherung des Gemeinwesens widmete. „Das Leben dieses Kriegs­adels erfüllte sich im Agon, das heißt in Krieg und Schlacht einerseits und im athletischen Wettkampf andererseits.“ Krieg und Sport hätten in einem engen Zusammenhang gestanden. Das Gymnasium der Athleten sei eher ein militärischer Übungsplatz gewesen als eine Bildungseinrichtung der griechischen Kultur: „Erst allmählich verloren die ursprünglich rein militärischen Übungen ihre unmittelbare kriegerische Ausrichtung und verselbstständigten sich. Die antiken Olympischen Spiele waren in keiner Weise mit einer Friedensidee verbunden. Diese Verbindung wurde erst von Pierre de Coubertin hergestellt.“

Die Spiele: Elitenprojekt einer aristokratischen Oberschicht

Um das Jahr 480 vor Christus wurde Griechenland von persischen Heeren massiv bedroht. Die Perser wollten nach der Niederschlagung des Ionischen Aufstandes wieder ganz Griechenland unterwerfen und bedrohten es mehrfach mit großen Heeren und Flotten. Die Angreifer wurden in fünf bedeutenden Schlachten, drei zu Lande und zwei zu Wasser, besiegt und zum Rückzug gezwungen. In den olympischen Siegerlisten des Jahres 480 v. Chr. finden sich nun aber auch Vertreter von Staaten, die sich nicht an der antipersischen Koalition beteiligten. Es nahmen sogar Athleten aus Staaten teil, die sich den Persern unterworfen hatten oder Verbündete der Invasoren waren. Der Zugang zu den Spielen des Jahres 480 v. Chr. war offensichtlich nicht an eine bestimmte politische Einstellung gekoppelt. Die Eleer ließen alle Griechen zu, gleich welche politische Haltung sie in der Perserfrage einnahmen. Die Sportbewegung der Neuzeit, in der Kriege als Fortsetzung der Politik mit drastischen Mitteln leider überdauert haben, scheint sich da anders zu orientieren.

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